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was dem Schneider nicht weniger merkwürdig war. An den Tisch des Grafen und edlen Herrn von der Lippe sprangen nemlich in geschäftiger Eile mehrere Bedienten, setzten daran einen großen, mit Lorbeeren geschmückten Sessel, und verkündeten, daß der Graf Simon von der Lippe so eben verstorben sey, und alsbald nahen werde. Ueber diese Botschaft freueten sich die Grafen von der Lippe und Alle die sie hörten, sehr, denn Graf Simon von der Lippe war Allen als der erste und muthigste Kämpe seiner Zeit bekannt. Nur in dem Gesichte des Bischof Wilhelm, der nicht weit davon saß, sah der Schneider gewaltigen Mißmuth, weil dieser, der in seinem Leben manche Fehde mit Simon von der Lippe gehabt hatte, öfters von ihm besiegt und sogar gefangen genommen war. Derselbe drehete daher auch sein zornglühendes Gesicht auf die Seite, als gleich darauf der Graf Simon eintrat. Dieser war ein großer, stattlicher Herr. Mit lauter Freude wurde er von seinem Stammverwandten empfangen, und im Triumphe führten ihn Alle zu seinem Ehrensessel. Hier wurden ihm alsbald die herrlichsten Speisen und die köstlichsten Weine aufgetragen. Allein, so sehr der edle Graf über diesen ehrenvollen Empfang sich freuete, so sah der Schneider doch, daß er bey dem Essen der Speisen und dem Trinken des Weines entsetzlich erbärmliche Gesichter schnitt, wie es einem solchen Helden im Leben sehr schlecht würde angestanden haben, worüber aber einige jüngere Herren von der Lippe, die der Sache schon länger und besser gewohnt waren, recht herzlich in ihr Fäustchen lachten.

Gleich darauf aber freuete der Graf Simon sich noch mehr, denn es kam ein Diener, der ihm etwas

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H. Stahl alias Jodocus Temme: Westphälische Sagen und Geschichten. Büschler'sche Verlagsbuchhandlung, Elberfeld 1831, Seite 058. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Westph%C3%A4lische_Sagen_und_Geschichten_058.png&oldid=- (Version vom 1.8.2018)