Seite:Westphälische Sagen und Geschichten 075.png

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Lächeln, auf seiner Stirne Frohsinn, von seinem Munde strömte Scherz und Lustigkeit, oft bis zur Ausgelassenheit, Ueberspannung, so daß dann selbst sein argloser Freund Diepolt, der ihn so nie gekannt hatte, ihn befremdet ansah. Die seine vorherige Melancholie gekannt hatten, waren längst irre an ihm geworden, ihnen konnte diese Lustigkeit unmöglich natürlich vorkommen, sie sahen daher nur eine gewaltsame, aber desto schmerzlichere Anstrengung darin, und wurden um so trauriger, je lustiger der arme Ritter war. Besonders der alte Burgvogt und der Edelknappe Julius. Stumm schüttelte jener oft den Kopf, wenn er das tolle Treiben sah, und meinte, das könne nie ein gutes Ende nehmen. Der Knabe aber schlich jetzt bleicher und stiller und kummervoller einher als je, und große Thränen flossen oft über seine zarten Wangen, wenn er des Abends zu seinem Herrn kam und diesen erschöpft, mit starren, glanzlosen Augen, erschlafftem Körper in dem Lehnsessel des einsamen Schlafgemachs liegen sah und schwere Seufzer aus der gepreßten Brust heraufkämpfen hörte. Er stellte sich dann in eine Ecke, um unbemerkt und ungestört den Schmerz, der auch seinen Busen drückte, ausweinen zu können.

Eines Abends aber, die Fremden konnten beynahe vier Wochen da gewesen seyn, mußte sein Schmerz laut werden, und es entstand dadurch eine Szene zwischen Herrn und Diener, die plötzlich dem ganzen fröhlichen Leben und Treiben ein Ende machen sollte.

Ermüdet von einer Jagd in den benachbarten Wäldern, die den ganzen Tag gedauert hatte, waren Fremde und Einheimische früh zur Ruh gegangen. Der Ritter Gervin saß noch einsam und still auf seinem

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H. Stahl alias Jodocus Temme: Westphälische Sagen und Geschichten. Büschler'sche Verlagsbuchhandlung, Elberfeld 1831, Seite 075. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Westph%C3%A4lische_Sagen_und_Geschichten_075.png&oldid=- (Version vom 29.12.2019)