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folgten der Landstraße nach Herdecke. Die Ritter waren noch nicht da, als sie hier in der Herberge ankamen; sie stiegen ab und banden ihre Rosse an, zu warten, bis jene kämen. Aber lange warteten sie vergebens; Eine Minute ging nach der andern hin, Eine Viertelstunde nach der andern. Eine ganze Stunde war vergangen. Es war ihnen unbegreiflich. Sie wurden ungeduldig. Da kam im fliegenden Galopp der Ritter Gervin herangesprengt; aber allein – das Visir seines Helmes stand offen, seine Züge waren entstellt, sein Gesicht leichenblaß und mit Blut bedeckt; seine Hände bluteten ebenfalls, auch an seiner Rüstung waren dunkle, nasse Flecken.

Eilt! rief er athemlos den Knechten zu! Eilt zu Eurem Herrn! Dort links im Walde liegt er in seinem Blute; todt! – Todt! rief er noch einmal mit furchtbarer Stimme, Todt! und ich sein Mörder! Und gewaltsam drückte er seinem schäumenden Pferde beyde Sporen in die Seiten und sprengte davon, tief in das Gebirge hinein.

Die Knechte eilten zu der bezeichneten Stelle, – schrecklicher Erwartung; lange mußten sie nicht suchen. Zuerst fanden sie das Pferd des Markgrafen; es lief lose im Walde umher, seine Mähnen waren naß von Blute, Sattel und Zaum ebenfalls. Blaß und bebend eilten sie weiter. Erbarmungswürdiger Anblick! Da fanden sie auch ihren Herrn! Lang ausgestreckt lag er im Grase, sein Kopf war vom Helme entblößt, in seinem Gesichte war eine tiefe Wunde, aus der noch immer schwarzes Blut quoll, womit sein ganzes Gesicht bedeckt war; seine Augen waren geschlossen. Der Körper war noch warm, aber Athem und Leben waren fort.

Empfohlene Zitierweise:
H. Stahl alias Jodocus Temme: Westphälische Sagen und Geschichten. Büschler'sche Verlagsbuchhandlung, Elberfeld 1831, Seite 084. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Westph%C3%A4lische_Sagen_und_Geschichten_084.png&oldid=- (Version vom 29.12.2019)