Seite:Westphälische Sagen und Geschichten 114.png

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Als nun Viele, sowohl Geist- als Weltliche ihn besuchten, redete er zwar mit allen, aber also, daß es besonders den Geistlichen nicht immer wohlgefiel, indem er durch Entdeckung ihrer heimlichen Sünden dieselben oft schamroth machte. Neveling, welchen er seinen Schwager zu nennen pflegte, warnete er oft vor seinen Feinden, und zeigte ihm, wie er deren Nachstellungen entgehen könnte. Auch lehrete er ihn, sich mit diesen Worten zu kreuzigen, und zu sagen: Unerschaffen ist der Vater, unerschaffen ist der Sohn, unerschaffen ist der heilige Geist!

So pflegt er zu sagen: Die Christen gründeten ihre Religion auf Worte, die Juden auf köstliche Steine, die Heiden auf Kräuter. – Seine Hände, welche mager, und, wie ein Frosch und Maus, kalt und weich im Angriff waren, ließ er zwar fühlen; keiner aber konnte ihn sehen.

Nachdem er nun drey Jahre bey Neveling ausgehalten hatte, ist er, ohne Jemand zu beleidigen, weggezogen. Es hatte aber Neveling eine schöne Schwester, um welcher willen Viele argwohneten, daß sich dieses Erdmännchen bey ihm aufgehalten habe. –

Eine andere Sage erzählet diese Wundergeschichte folgendermaßen:

Auf dem Hause Hardenstein hat sich vor Zeiten ein Erdmännchen aufgehalten, welches sich König Vollmar genennet, und diejenige Kammer bewohnet hat, welche von jenen Zeiten an bis auf den heutigen Tag die Vollmars Kammer heißet. Dieser Vollmar mußte jederzeit einen Platz am Tische, und einen für sein Pferd im Stalle haben; der denn jederzeit die Speisen, wie auch Hafer und Heu verzehret wurden, vom

Empfohlene Zitierweise:
H. Stahl alias Jodocus Temme: Westphälische Sagen und Geschichten. Büschler'sche Verlagsbuchhandlung, Elberfeld 1831, Seite 114. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Westph%C3%A4lische_Sagen_und_Geschichten_114.png&oldid=- (Version vom 9.9.2019)