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verschiedene: Westphälisches Magazin zur Geographie, Historie und Statistik, Band 1, Heft 1–2

Ställen sind Futterkammern für beydes Vieh. Am Ende der Flur ist der Feuerheerd; über ihn eine bretterne Bühne (Asse) die den Rauch auffängt, auf welcher Westphalens Schweine-Schinken so gut durchräuchert werden. Wer einen Schonstein machen läßt, ist ein Sonderling. Hinter dem Feuerheerd ist die allgemeine Wohnstube, und daneben die Schlafkammer der Herrschaft des Hauses und ihrer Kinder; drüber die Behältnisse für reines Korn und übrigen Victualien.

Ein großer Theil der Bauern wohnt einzeln, hat um sein Haus sein Feld liegen, und ziemlich entfernte Nachbaren. So viel öconomische Vortheile diese Einrichtung auch haben mag, so erschweret sie doch die Bildung seines Geistes. Gesellschaft macht milde, und wann des Menschen Intereße zu wenig mit des Nachbars Intereße verwebet ist, so bleiben viele gesellige Empfindnisse unentwickelt.

Ueberdies da nach der Einrichtung manches Haus seinen eignen Viehhirten halten muß, da in andern Ländern ein Hirt das Vieh des ganzen Dorfs hütet, so geht vielen Kindern die beste Zeit ihren Geist bilden und entwickeln zu lassen, hinter dem Vieh verloren.[1]

Vergnügungen.

Ihre vornehmste Vergnügungsart sind die sogenannten Döhnten (Gastereyen) auf welcher jeder Gast dem Gastgeber ein Geschenck machen muß. Hochzeiten, Aufrichtung eines neuen Gebäudes, Kindtauffen, Mergelfahren, neue Fenster einsetzen, und noch unwichtigere Vorfälle, sind Veranlassungen zu diesen höchst verderblichen Gastmählern. Zu dem Mahle werden 8 Tage vorher die Gäste mit vieler Feyerlichkeit eingeladen. Am Tag des Gastmahls erscheint jeder mit einem Geschenck für die Küche; dann setzt sich alles um lange Tische her, genießt ein Frühstück, Anbiß genannt. Hierauf wird eine ordentliche Mahlzeit gegeben, die mehrentheils aus Fleisch besteht, je mehr Fleisch, je köstlicher das Mahl. Bier und Branntewein müssen im Ueberfluß da seyn. Ist die Mahlzeit genossen, so ziehen sie sich mit dem Aufwärter ums Tischtuch, und lassen es nicht eher abfolgen, bis Toback, Nüsse und Obst zum Desert gegeben

  1. Im Ravensbergischen ist neuerlich die Einrichtung getroffen, daß kein Kind vor der Confirmation, das Vieh hüten darf. A. d. H.
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verschiedene: Westphälisches Magazin zur Geographie, Historie und Statistik, Band 1, Heft 1–2. , 1784, Seite 108. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Westph%C3%A4lisches_Magazin_Bd.1_H.1-2_108.gif&oldid=- (Version vom 1.8.2018)