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Westphälisches Magazin zur Geographie, Historie und Statistik, Band 1, Heft 1–2

Senne im Gange gefunden, wo wegen gänzlichen Mangel an tüchtigen Schulen die Roheit und Unwissenheit unglaublich groß ist. In Absicht der Sittlichkeit ihres Nächsten sind sie sehr tolerant; nur mit Diebstahl, Betrügerey, falschen Eidschwören, und auch Ehebruch verstehen sie keinen Spas. Ein Dieb und Ehebrecher hängt sich und seinen Nachkommen einen unauslöschlichen Fleck an.

Hat ein Mädchen den Namen, daß sie ausschweift, und wohl uneheliche Kinder zur Welt gebracht; so bekommt es eben darum noch wohl einen Mann; ist es aber nur im Verdacht, daß es Garn nicht vollgehaspelt, oder sonst im kleinsten etwas veruntreuet hat, so bleibt es sitzen. Wenn ein Jüngling sich wirklich verlobt hat, und er erfährt etwas von Unehrlichkeit, so trit er zurück. Und doch giebts wohl nirgends weniger treues Gesinde, als in den benachbarten Städten. Und das kommt daher, weil auf dem Lande dem Gesinde kein Brodt oder Speiseschrank verschlossen werden darf; kommen sie in die Stadt, und finden alles verschlossen, so werden sie Näscher, und um das Bedürfniß ihren starken Appetit zubefriedigen, suchen sie sich so gut zu helfen, wie sie können. Ueberdies hält der größte Haufe diese Art zu naschen für keine Sünde, weil Christus gesagt hat, was zum Münde eingehet, sündiget nicht.

Grobe Ausschweifungen der Wollust sind auch hier nicht ganz unbekannt; man hört iedoch nicht häufig von ihnen. Einigemal habe ich Exempel von Sodomie gehöret; nur von Kindern, die wegen des engen Beysammenseyns und Indelicatesse der Eltern, das Ehewesen der Eltern sahen, und in ihren Spielen als Spiel nachmachten, ohne den Unterschied der Geschlechter zu wissen; so habe ichs wenigstens bey der Untersuchung entdeckt.

Onanie ist hie und da im Gange, und die sie treiben, lassen sich durchaus nicht überzeugen, daß es Sünde und schädlich sey. Jedoch wird dieser Reitz zur Ausschweifung durch tägliche Beschäftigungen und Ermüdung bey den meisten gedämpft.

Uneheliche Umarmungen sind bey ihnen eben nichts sündliches; aber das geschändete Mädchen sitzen lassen, ist bey ihnen ein seltener Fall. In meiner Gemeinde, zu welcher 12 Bauerschaften eingepfarret sind, habe ich in 2 bis 3 Jahren nur 2 bis 3 uneheliche Kinder getauft.

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: Westphälisches Magazin zur Geographie, Historie und Statistik, Band 1, Heft 1–2. , 1784, Seite 113. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Westph%C3%A4lisches_Magazin_Bd.1_H.1-2_113.gif&oldid=- (Version vom 1.8.2018)