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Westphälisches Magazin zur Geographie, Historie und Statistik, Band 1, Heft 1–2

Ihre Ehe geht mit der Verlobung an, und die Trauung ist nur öffentliche Bestätigung. Da kann denn oft 4 Wochen nach der Hochzeit Kindtaufe seyn, wofür im Lippeschen, wenn ich nicht irre, 8 Rthlr. Strafe unter dem Titel propter anticipatum concubitum erlegt werden muß. Ihre Ehen werden in vielen Gegenden nur aus Bedürfniß, und nach dem Werth der Mitgabe geschlossen. Ein Schrank, ein Tellerbret u. d. gl. kann einen Ehekontract zerschlagen.

Ehescheidungen sind bey ihnen selten; selbst Ehebruch scheidet selten. Denn ob zwar am Ehebruch große Schande hängt; so läßt sich doch nicht oft das Ehepaar, ihres gemeinschaftlichen Interesse wegen, dadurch trennen.

Ihre Begrüßungen sind edel und einfach. Sie geben sich die Hand, drücken sie herzhaft, und dieses Drücken wird dem Kenner sehr charakteristisch. Es ist ein Zeichen ob Luxus und Ziererey zunimt. Die Meyer z. B. drücken größtentheils die Hände nicht mehr. – Man kann es mit dem Handgeben leicht versehen. Giebt man z. E. seine Hand im Handschuh; so halten sie dies für eine große Beleidigung, eben so, wenn man einen oder den andern in der Gesellschaft vorbey gehet. Aberglauben ist bey ihnen sehr allgemein. Wahrsagerweiber, die mit Weyhwasser heilen; Segen sprechen sind Orakel des Volks. Gegen Aerzte haben sie Mißtrauen, woran theils religiöse Irrthümer, theils das zu entfernte Wesen mancher Aerzte Schuld ist. Ein gewisser Fatalismus und der Gemeinspruch: Gott ist der beste Arzt: verhärtet manchen so sehr, daß er durchaus keinen Rath sucht. Gespenstermährchen und Hexenhistorien verschwinden täglich mehr.

Ich kenne hier viele denkende Männer, die glauben, das Volk neige allgemein hier zum Aberglauben, aber Unglaube wäre seine Sache nicht. Aber meine Erfahrung komt damit nicht überein. Ich habe selbst von vielen gehöret: daß alle Religionslehren nur blos in der Absicht gelehret würden, um die Leute im Zaum zu halten.

Manche lassen sich von Unsterblichkeit und ewigen Leben nichts einreden. Wie der Baum fällt so bleibt er liegen ist gemeines Sprichwort.

Es ist Zeit, ihr Volkslehrer, aus dem süßen dogmatischen Schlaf zu erwachen, und die alten Postillen mit weisern Predigten fürs Volk zu vertauschen.

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: Westphälisches Magazin zur Geographie, Historie und Statistik, Band 1, Heft 1–2. , 1784, Seite 114. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Westph%C3%A4lisches_Magazin_Bd.1_H.1-2_114.gif&oldid=- (Version vom 1.8.2018)