als die beste angesehene Form allen Professoren vorgeschrieben worden, so wäre ganz zweifellos in Summe viel schlechter unterrichtet worden, als tatsächlich geschehen ist. Denn der Weg zur freien Verbesserung durch das ungestörte Experiment wäre abgeschnitten gewesen, und es wäre nicht das Bessere der Feind des Guten gewesen, sondern umgekehrt das Gute der Feind des Besseren.
Und das ist ein Umstand, der uns immer wieder entgegentreten wird. Weil das deutsche Schulwesen einige gute Seiten hat, oder vielmehr gehabt hat, ist es so schwer, es besser zu machen, denn man weist immer auf diese hin und will das „bewährte Alte“ nicht aufgeben. Allerdings wäre es frevelhaft, es ins Blaue aufzugeben, nur um es einmal anders zu machen. Aber da jeder von uns weiß, daß Stillstand Rückschritt ist, so erkennen wir, auch ohne durch bestimmte vorhandene Mißstände darauf geführt zu werden, daß unter allen Umständen der Fortschritt organisiert werden muß. Und dies kann gar nicht anders gemacht werden, als indem wir mit an dem Problem der Erziehung systematisch experimentieren. Keine Fabrik, kein Betrieb irgendwelcher Art bleibt lebensfähig, wenn seine Leiter nicht unaufhörlich sich fragen: wo kann ich verbessern? und dem wichtigsten Betrieb, der Erziehung der künftigen Menschheit, soll diese Lebensluft entzogen werden? Dagegen zu protestieren, sind wir hier.
Wenden wir nun von dieser Spitze des deutschen Erziehungswesens den Blick auf seine breite Basis, den Kindergarten, so finden wir dieselbe glückliche
Wilhelm Ostwald: Wider das Schulelend. Akademische Verlagsgesellschaft m.b.H., Leipzig 1909, Seite 15. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wider_das_Schulelend.pdf/21&oldid=- (Version vom 1.8.2018)