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ist, wenn das freudige Moment darin am stärksten zur Geltung kommt. Das normale Kind ist ebenso wie der normale Jüngling mit überschüssiger Energie erfüllt und wünscht gar nichts Besseres, als diese Energie zu betätigen. Beide folgen also mit Freuden einer Führung, die ihnen diese Betätigung in willensgemäßer Weise ermöglicht. Das Geheimnis der Erziehung besteht also in einer solchen Beeinflussung des Willens, daß der Zögling sich dazu drängt, das zu tun, was der Lehrer ihn zu tun veranlassen will. Es ist hier nicht der Ort, auf alle die Mittel einzugehen, welche einem Lehrer hierbei zu Gebote stehen; sie sind mannigfaltig, und in ihnen bringt sich seine persönliche Beschaffenheit zur Geltung. Aber das sieht man auf den ersten Blick, daß sie um so erfolgreicher sein müssen, je mehr es dem Schüler erscheint, als führe er nur seinen eigenen Willen aus. Um das Kind zu leiten, muß man diesen Vorgang im Unbewußten halten; den Erwachsenen leitet man am sichersten dadurch, daß man ihn von der Richtigkeit des Weges sachlich überzeugt. Sind aber Lehrer und Schüler im Willen einig, so ist das erzielte Ergebnis das denkbar größte, denn es wird gar kein Anteil der vorhandenen, stets begrenzten Energie auf die Überwindimg von Willenswiderständen vergeudet.

Es ist also nicht nur eine Frage der allgemeinen Menschenliebe, daß man dem Kinde oder dem Studenten seine Arbeit so erfreulich wie möglich gestaltet, sondern ebenso eine technische oder praktische Frage. Ebenso wie man weiß, daß dann die Maschine am vorteilhaftesten arbeitet, wenn sie ihre Bewegungen möglichst glatt und ohne Reibung oder Stöße ausführt, so

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Wilhelm Ostwald: Wider das Schulelend. Akademische Verlagsgesellschaft m.b.H., Leipzig 1909, Seite 18. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wider_das_Schulelend.pdf/24&oldid=- (Version vom 1.8.2018)