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Gegner, und sie haben sich sogar diesen Ungedanken durch eine sonst sehr wackere österreichische Dichterin in Verse bringen lassen. Wir treffen hier auf eine der schlimmsten Sünden des humanistischen Ideals und müssen sie schonungslos aufdecken. Entsprechend der niedrigen, auf Sklaverei beruhenden Kultur der Griechen und Römer bestand bei diesen Völkern eine Verachtung der Arbeit, die jener Kulturstufe allerdings angemessen war, aber im schreienden Gegensatz zu der unserer Zeit steht. Insbesondere wurde die technische und Handarbeit verachtet. Die Humanisten des sechzehnten Jahrhunderts haben diesen Gedanken übernommen und zogen es meist vor, als Schmarotzer der Reichen und Vornehmen durch die Länder zu ziehen, als sich bestimmter Arbeit zu widmen. So ist denn auch in unsere humanistischen Lehranstalten der gleiche kulturwidrige Gedanke übergegangen, und ihre Schüler werden in der Ansicht erzogen, daß nur die Beschäftigung mit den Überresten der alten Völker edel, alle andere, insbesondere alle technische Beschäftigung dagegen roh und banausisch sei. Das gleiche Vorurteil hat sich dann auf die gleichfalls mit alten Resten handelnden Juristen übertragen, und ich brauche nur auf die tiefe Kluft hinzuweisen, welche diese Vorurteile mitten durch unser Volksleben gerissen haben, um ihre Vertilgung als eine der wichtigsten Kulturtaten der Nation erkennen zu lassen. Dadurch, daß das humanistische Ideal gerade diejenigen Menschen am stärksten beeinflußt und dem tätigen Leben unseres Volkes abwendet, welche später eingreifenden, ja maßgebenden Einfluß auf die Gestaltung unserer Schicksale in Recht, Verwaltung und Politik haben;

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Wilhelm Ostwald: Wider das Schulelend. Akademische Verlagsgesellschaft m.b.H., Leipzig 1909, Seite 25. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wider_das_Schulelend.pdf/31&oldid=- (Version vom 1.8.2018)