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Otto Vorländer: Ein Klostermuseum in der Heide (Wienhausen). In: Die Denkmalpflege. 4. Jg., S. 109–113

Ein Klostermuseum in der Heide.

Wem klänge nicht diese Ueberschrift fremdartig? Wer dächte nicht im ersten Augenblick an die Gefahr, daß hier leicht Poesie und Wirklichkeit zu einem Bilde verschmelzen könnten, das in die Spalten dieser Zeitschrift nicht passt. Und doch erscheint der Titel dieser kleinen Arbeit berechtigt. Er hat dem Unterzeichneten bei seinen wiederholten Wanderungen durch die Lüneburger Heide und bei seinem öfteren längeren Verweilen in Wienhausen i. H. stets als die treffendste Bezeichnung für das, was er gesehen, vorgeschwebt. Im norddeutschen Tieflande gibt es da und dort versteckt noch einige Stätten, wo verschiedenartige Ueberreste eines mittelalterlichen Kunstfleißes (namentlich Glasmalereien) wohl erhalten sind, und sich das Gemeinschaftsleben der Klosterinsassen in einer gewissen Weise fortgesetzt hat bis auf den heutigen Tag. Letzterem Umstande verdanken wir es vielleicht, daß in den seit der Reformation zu je einem evangelischen Fräuleinstift umgewandelten ehemaligen Klöstern Wienhausen, Ebstorf, Lüne, Medingen usw. in der Provinz Hannover die Hütung der überkommenen Alterthümer noch zu den Obliegenheiten der jeweilig vorstehenden Aebtissin bezw. der für einen gewissen Zeitraum hierfür ernannten Mitschwester gehört. Es ist zu bemerken, daß die je und dann von Fachkundigen mit Vorsicht oder auch mit rückhaltloser Freude geäußerte Werthschätzung sichtliches Behagen bei den Conventualinnen weckt, und daß damit auch die Fortdauer solch löblicher Bethätigung der Denkmalpflege bis zu einem gewissen Grade gewährleistet ist. Für diesmal soll uns nur das Kloster Wienhausen beschäftigen, von dem bereits allerlei Anregungen und Aufnahmen in die Welt hinausgetragen worden sind.[1]

Abb. 1. Kloster Wienhausen bei Celle.

Abb. 2. Ansicht des vorm. Nonnenchors im Kloster Wienhausen.

(Aus: Mithoff, Archiv für Niedersachsens Kunstgeschichte, 2. Abth.)


Man erreicht Dorf und Kloster Wienhausen von Celle aus durch einen Privat-Omnibus in etwa 1½ Stunden. Wer die Heide liebt und rüstig zu Fuß ist, geht am besten durch die „Blumläger Vorstadt“ auf der breiten Landstraße, die weiterhin durch kleine Dörfer und Gehöfte, dann eine lange Strecke durch dichtes Gehölz hindurch und endlich gegenüber den Bockelskamper Fichtenwaldungen nahe an den stillen Weihern und ausgedehnten Parkanlagen des Klosters vorbeiführt. Auf der nordöstlichen Seite fließt in trägem Lauf die Aller vorbei, gleich dahinter breitet sich die Heide weiter aus, hier erst mit all den Erscheinungen, die ihr Duft und Reiz verleihen, während Wienhausen, nur von einem ganz kleinen Nebenarm des genannten Flusses berührt und, von Wiesen und Buschwerk umsäumt, wie eine liebliche Oase inmitten eintöniger Umgebung daliegt. Still und freundlich sind auch die


  1. Vergl. H. W. H. Mithoff: Archiv f. Niedersachsens Kunstgeschichte 2. Abthg.: Das Kloster Wienhausen bei Celle. Hannover 1849. – J. Lessing: Mittelalterliche Wandteppiche. Berlin, E. Wasmuth. – Borrmann, Kolb und Vorlaender: Aufnahmen mittelalterlicher Wand- und Deckenmalereien. Berlin, E. Wasmuth. – H. Kolb, Glasmalereien des Mittelalters und der Renaissance. Stuttgart, K. Witwer.
Empfohlene Zitierweise:
Otto Vorländer: Ein Klostermuseum in der Heide (Wienhausen). In: Die Denkmalpflege. 4. Jg., S. 109–113. Wilhelm Ernst & Sohn, Berlin 1902, Seite 109. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wienhausen_-_Ein_Klostermuseum_in_der_Heide.djvu/1&oldid=- (Version vom 1.8.2018)