Seite:Wilamowitz Geschichte der griechischen Sprache 17.jpg

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Herodothandschriften[1] und bei den Nachahmern in der Kaiserzeit ganz abgesehen, zeigt die Poesie Anakreons und mancher Steine, daß das Ionische in der Kontraktion gerade ganz besonders weit gegangen ist. Θαλῆς Πυθῆς hat man für Θαλέας Πυθέας sogar immer geschrieben, Anakreon auch ἔγχης für ἐγχέας. Schon um 600 steht auf Chios δημαρχῶν neben δημαρχέων; ποιέοντα ist dreisilbig so gut wie ποιεῦντα, ο und υ wechseln ja im Diphthonge. Der Nachahmer Herodas[2] mit seinen Verschleifungen darf uns die Aussprache nicht seiner Zeit, sondern die des Hipponax vertreten. Nicht nur darin, daß auf diese Äußerlichkeiten sehr viel mehr Arbeit verschwendet ist, als sie verdienten, hat es ungünstig gewirkt, daß Herodot lange so ziemlich als der einzige alte Vertreter des Ionischen gegolten hat. Neben den Attikern erschien er als Dialektschriftsteller, während das die ältesten Attiker viel eher waren, denn er war aus einer Stadt, wo Dorisch und Karisch viel mehr bodenständig waren als das Ionische, das man bereits schrieb, weil es eben die Schriftsprache der Hellenen war. Und die antike Stilkritik hat an ihm eine ποικιλία, eine Buntheit des Stiles nicht verkannt. Es ist sein persönlicher Vorzug,


  1. Die reichlichen antiken Zitate, aber auch die Rezension R zeigen, daß die archaistische Orthographie nicht durchaus galt, namentlich die sinnlose Vermeidung des paragogischen ν, diese auch nicht für Nachahmer wie Arrian. Wer die Psilose durchführen will (was praktisch Unzuträglichkeiten mit sich bringt), der werfe jeden Spiritus ab; der sog. lenis ist überhaupt ein Unfug. Die Grammatiker haben ihn nur vereinzelt zur Unterscheidung von mehrdeutigen Wörtern gesetzt. Daß wir den späten Byzantinern folgen, ist Trägheit; aber man fährt ja fort, das Iota hinter langem Vokal zu subskribieren, auch wo es gesprochen ward und wir es sprechen sollen, ἵππωι ist nicht schwerer zu sprechen als italienisches noi, ῥᾶι als mai usw.
  2. Ἡρώιδας war den späteren Schreibern so befremdlich, daß Athenäus Ἡρώνδας geschrieben hat oder es vorfand. Bei Plinius Ep. IV 3, 4 finden wir Herodas und so meist. Es ist Verkennung der difficilior lectio, wenn man sie nicht in Ἡρώιδας finden will.