Seite:Wilamowitz Geschichte der griechischen Sprache 18.jpg

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daß er sich der verschiedenen Stilmittel bedient, wozu ihn der Gang seines Lebens befähigte; aber alles lag innerhalb der ionischen Schriftsprache, die es ebenso wie einst die des Epos zu panhellenischer Geltung gebracht hatte. Sie mußte vorhanden sein, wenn im sechsten Jahrhundert Pherekydes auf der unbedeutenden Insel Syros und Akusilaos von Argos in ihr schrieben, und zwar in charakteristischen Dingen übereinstimmend. So haben es auch am Ende des fünften Jahrhunderts der Lesbier Hellanikos, der Syrakusier Antiochos, noch später der Böoter Aristophanes getan. Für uns ist neben unschätzbaren Bruchstücken anderer die Hauptmasse der ionischen Literatursprache in der hippokratischen Sammlung erhalten, wo gleich das eine nie vergessen werden darf, daß die beiden wichtigsten Ärzteschulen von Kos und Knidos in dorischen Städten wurzeln; über die Sprache der westhellenischen Ärzte läßt sich nicht sicher urteilen[1]. Die hippokratischen Schriften stammen ganz überwiegend aus der Zeit 450–350, wohl meist 420–370. Es fehlt freilich noch für die meisten die kritisch gesicherte Ausgabe, die von der preußischen und der dänischen Akademie vorbereitet wird, aber wo die beste Überlieferung zu suchen ist, wissen wir, und an der Hand von Littrés bewundernswerter


  1. Akron hatte offenbar gar nicht geschrieben, von Philistion ist nichts im Wortlaut erhalten. Daß Alkmaion von Kroton in seiner achäischen Muttersprache geschrieben hätte, kann ein einziges ἔχοντι (Indikativ) neben Κροτωνιήτης und Πειρίθου nicht sicherstellen. Neben dem Dorisch des sog. Philolaos, das örtlich nicht bestimmbar ist, hat es ionische Schriften unter dem Namen des Pythagoras gegeben, die für hellenistische Fälschungen zu halten Willkür ist. Den Samier konnte man doch nur ionisch schreiben lassen. Erst durch Archytas ist Pythagoreisch und Dorisch in der Vorstellung der Menschen zusammengefallen. Sein Dialekt ist ganz verwüstet: da steht διαγνώμεναι, φρονέειν, ἄμμες, ζατεῖν, um nur die gröbsten Fehler aufzugreifen. Daß der Tarentiner seine Mundart schreiben wollte, ist so begreiflich oder auch unbegreiflich wie später bei Archimedes, denn der Dialekt ist nur ein Kleid, das der innerlich von der Literatursprache beherrschten Rede übergeworfen wird.