Seite:Wilamowitz Geschichte der griechischen Sprache 20.jpg

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die Dichtung in Vers und Prosa und vor allem die rhetorisch aufgeputzte „Rede“. Das war uns vererbt von der Praxis der Kaiserzeit, wo diese Rhetorik schließlich auch angeblich wissenschaftliche Prosa schminkt und parfümiert oder besser verstänkert: Älian zeigt es am unerträglichsten, aber auch Polyaen und manches von Philostratos. Wenn es eine Wissenschaft gibt, schafft sie sich einen Stil, der gerade darum die höchste Vollkommenheit erreichen kann, weil er anders ist als in der sog. schönen Literatur. Die sachliche Belehrung fordert Klarheit und Kürze, wie sie die beste antike Rhetorik von der Erzählung verlangt. Aber auch das Ethos des Schriftstellers wird lauter oder leiser mitklingen. Es gibt Zeiten, in denen die wissenschaftlichen Bücher allein das Ausland zwingen, ihre Sprache zu lernen. Die ionisch schreibenden Ärzte haben in dem wissenschaftlichen Lehrbuche etwas erreicht, was den Namen klassisch so gut verdient wie eine demosthenische Rede. Das chirurgische Hauptwerk auf der einen Seite, in dem zu festerer Geschlossenheit gesteigert wird, was die Schrift über Kopfwunden anstrebt, auf der anderen Seite die knidische Schrift, deren Einheit Littré erkannt, deren Stil Ilberg kürzlich in vorbildlicher Weise, wenn auch kurz charakterisiert hat[1], mögen die Lehrschrift hier vertreten, und man braucht sich nur zu überlegen, daß erst die Tiergeschichte des Aristoteles ein vergleichbares Werk in attischer Mundart ist, an der auch moderne Attizisten nicht ohne Mißbilligung die ionischen Züge wahrnehmen mögen. Es bleibt dabei, daß

  1. π. γονῆς, περὶ φύσιος παιδίου, περὶ νούσων IV. Ilberg, Die Ärzteschule von Knidos, Leipzig 1925, S. 9.