Seite:Wilamowitz Geschichte der griechischen Sprache 25.jpg

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Ich glaubte Proben vorführen zu müssen, denn mich dünkt dieser Stil höchst merkwürdig, zumal wenn man die gleichzeitige Katalogpoesie daneben hält. Hekataios scheint im Aorist erzählt zu haben, den andere Partien in den Büchern des „Pherekydes“ auch zeigen. Das historische Präsens, wie es später bei griechischen Historikern gelegentlich vorkommt (von den Lateinern zu schweigen)[1] hat hiermit nichts zu tun: das hat immer sein besonderes Ethos. Hier haben wir eine naive, volkstümliche Vortragsform, in polarem Gegensatze zum Epos; aber Stil hat auch schon diese ionische Rede, und schon dieser Stil ist über das ionische Sprachgebiet hinausgedrungen.

Die große geistige Bewegung, die wir Sophistik nennen, erzeugt schließlich die Rede des „wissenden“ Mannes, der von seinem Wissen lebt, Vorträge hält, in welchen er eine Probe dieses Wissens vorzeigt, ἐπιδείκνυται, meist um dadurch Schüler zu gewinnen. Auch von diesem Stil enthält nur die hippokratische Sammlung vollständige Proben, geringhaltige wie περὶ φυσῶν, hochbedeutende wie die methodologische Erörterung über die alte Heilkunst. Wohl empfindet der Leser auch hier noch, daß die dialektische Schulung fehlt, aber der Redner weiß zu disponieren und trägt seine Gedanken klar und in einer Sprache vor, die der Fülle keineswegs entbehrt, aber den gleichmäßigen Ton der ruhigen Belehrung festhält. Man stelle die Schrift über die athenische Verfassung daneben, die derselben Zeit angehören wird: die Überlegenheit des Ioniers ist ganz gewaltig. Ein Protagoras konnte die Rede auch in ganz anderer Höhenlage halten, ohne Anleihen bei der Poesie und ohne rhetorische Kunststücke; wir sehen es an der Nachahmung

  1. Gerade was Heinze in der Festgabe für Streitberg über das Praesens historicum im Lateinischen ausgeführt hat, zeigt den Unterschied sehr deutlich.