Seite:Wilamowitz Geschichte der griechischen Sprache 36.jpg

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örtlicher Verbreitung notwendig; Beobachtungen über den Wortgebrauch werden sich von selbst einstellen, sicherlich auch manches für Erklärung und Ergänzung abfallen[1].

Die Urkunden der Städte, welche im inneren Dienst an ihrem Dialekt festhalten wollten, tragen bald fast überall nur noch in den sprachlichen Formen ein heimisches Gewand, selbst die Wörter sind zum großen Teil entlehnt, der Stil durchaus. Da erwächst uns die Aufgabe, die Verdrängung der Dialekte zu verfolgen, und das ist mit der verdienstlichen Sammlung der Dialektinschriften nicht möglich, die nur die vereinzelten alten Formen ausnotierte. Athen ist wie in allem am konservativsten; in Ionien ist nach Alexander etwas Ionisches eine Rarität; nur einzelne, sogar ungriechische Wörter finden sich[2]. Die Äoler haben sich bemüht, ihre Sprache beizubehalten, aber schon in den großen Urkunden aus Eresos und Nasos liegt die allgemeine Kanzleisprache zugrunde, für die Athen vorbildlich war, und es ist schwer zu entscheiden, wann die Äolismen archaistische Künstelei wurden[3]. Eine Frage ohne Antwort bleibt, ob sich das Volk die Barytonese abgewöhnt hat[4]. Die Böoter werden schwerlich die Vokale anders gesprochen

  1. J. Kirchner hat die Chronologie der attischen Formeln in dem ersten Hefte seines Index zu dem neuen IG II zusammengestellt, aber eben nur um der Chronologie und der Beamtenlisten willen. Es wird aber leicht sein, das Stilistisch-Sprachliche zu ergänzen.
  2. ἀττηγος Böckchen, Inschr. von Magnesia 98; solch ein Wort zu akzentuieren ist Täuschung. Bechtel hat es in seiner überaus wertvollen Sammlung der ionischen Wörter nicht verzeichnet. Hier liegt eine sehr schöne Aufgabe vor, das Ionische aus dem Hesych herauszuholen. Viel stammt aus dem ionischen Iambus, aber es gibt auch Glossen, die von Glossographen und Grammatikern frisch aus dem Volksmunde oder für uns verschollenen Schriften stammen. Übrigens sind gerade späte Inschriften Asiens nicht ganz unergiebig.
  3. Sicher gilt das von einem Psephisma von Kyme, Schwyzer 647, wohl auch von den mytilenäischen, IG XII 2, 67. 68.
  4. Jetzt wird der Name der Stadt Ἐρισσό gesprochen; aber die heutigen nordgriechischen Dialekte drängen nach der Oxytonese.