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acht der Jungfrauen eilends ans Ufer gestiegen und zogen ihre Kleider an.

„Siebente Schwester“, sprachen sie, „der dir vom Himmel bestimmt, ist dir gekommen. Wir Schwestern wollen dich mit ihm alleine lassen.“

So blieb die Spinnerin geduckt im Wasser sitzen.

Sie schämte sich gar sehr und redete zu ihm: „Kuhhirt, gib mir schnell meine Kleider wieder!“

Aber der Kuhhirt stand lachend da.

„Wenn du mir versprichst, meine Frau zu werden“, sagte er, „dann geb ich dir deine Kleider.“

Die Jungfrau aber war nicht einverstanden.

„Ich bin eine Tochter des Herrn der Götter“, sagte sie; „ohne seinen Befehl darf ich nicht heiraten. Gib mir schnell meine Kleider wieder, sonst wird dich mein Vater bestrafen!“

Da sagte die gelbe Kuh: „Ihr seid füreinander vom Schicksal bestimmt, ich will gern die Heirat vermitteln, und der Herr, Euer Vater, wird sicher nichts dagegen haben.“

Da sprach die Jungfrau: „Du bist ein unvernünftiges Tier, wie könntest du den Ehevermittler machen?“

Die Kuh sprach: „Am Ufer da, der alte Weidenbaum, versuch es einmal, ihn zu fragen! Kann er sprechen, so ist eure Vereinigung vom Himmel gewollt.“

Und die Jungfrau fragte die Weide.

Die Weide antwortete mit menschlicher Stimme:

„Siebenabend ist heut,
Der Kuhhirt die Spinnerin freit.“

Da war die Jungfrau einverstanden. Der Kuhhirt legte die Kleider nieder und ging voran. Das Mädchen zog die Kleider an und folgte ihm nach. So wurden sie Mann und Frau.

Nach sieben Tagen aber nahm sie Abschied von ihm.

„Der Himmelsherr hat mir befohlen, ich solle nach dem Spinnen sehen“, sagte sie. „Wenn ich allzulange säume,

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Richard Wilhelm: Chinesische Volksmärchen. Eugen Diederichs, Jena 1914, Seite 33. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wilhelm_ChinVolksm_033.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)