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Die achte der Unsterblichen war ein Mädchen und hieß Ho Siän Gu. Sie war die Tochter eines Bauern. Ihre Stiefmutter behandelte sie hart; dennoch blieb sie ehrfurchtsvoll und fleißig. Sie liebte es, Almosen zu spenden; die Mutter aber hinderte sie daran. Doch sie ward niemals zornig, auch wenn sie von ihrer Mutter Schläge bekam. Sie hatte geschworen, sich nicht zu verheiraten, und schließlich wußte die Mutter nicht mehr, was sie mit ihr tun sollte. Eines Tages, als sie eben Reis kochte, da kam der Großvater Lü und erlöste sie. Sie hielt den Kochlöffel noch in der Hand, während sie in die Lüfte stieg. Sie ward im Himmel angestellt, um vor der südlichen Himmelstür die abgefallenen Blumen aufzukehren.


32. Die acht Unsterblichen
II

Es war einmal ein armer Mann, der hatte schließlich gar kein Obdach mehr und keinen Bissen zu essen. Da legte er sich müde und matt draußen am Weg neben einem kleinen Feldgotttempelchen nieder und schlief ein. Da träumte ihm: Der alte weißbärtige Feldgott kam aus seinem Häuschen und sagte ihm: „Ich weiß dir eine Hilfe, morgen kommen hier am Wege die acht Unsterblichen vorbei; vor denen wirf dich nieder und flehe sie an!“

Als der Mann erwachte, setzte er sich unter den großen Baum, der neben dem Feldgotttempelchen stand und wartete den ganzen Tag auf die Erfüllung des Traumes. Da endlich, als die Sonne schon nahe am Untergehen war, kamen acht Gestalten des Wegs gegangen, dem Bettler deutlich als die acht Unsterblichen erkennbar. Sieben von ihnen eilten sehr schnell; aber einer mit einem lahmen Bein humpelte hinter den andern her. Vor diesem – es war Li Tiä-Guai – warf sich der Mann auf den Boden.

Empfohlene Zitierweise:
Richard Wilhelm: Chinesische Volksmärchen. Eugen Diederichs, Jena 1914, Seite 74. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wilhelm_ChinVolksm_074.jpg&oldid=- (Version vom 29.5.2018)