Seite:Wilhelm ChinVolksm 139.jpg

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führte so groß wie eine Ameise. Ihm folgten Fußgänger und Reiter in dichtem Gedränge, wohl mehrere Hundert. Auch Jagdfalken und Hunde hatten sie zu Hunderten. Da flogen die Mücken und Fliegen auf; aber sie wurden alle von den Jagdfalken erlegt. Die Jagdhunde stiegen auf das Bett und spürten der Wand entlang den Läusen und Flöhen nach und fraßen sie auf. Was sich in den Ritzen verborgen hatte, erschnüffelten sie und trieben es heraus, so daß sie in kurzer Zeit fast alles Ungeziefer getötet hatten.

Der Scholar stellte sich schlafend und sah ihnen zu. Da ließen sich die Falken auf ihm nieder, und die Hunde krochen auf seinem Leib herum. Kurz darauf kam ein gelb gekleideter Mann mit einer Krone wie ein König, stieg auf ein leerstehendes Bett und ließ sich dort nieder. Im Augenblick kamen auch die Berittenen alle herbei, stiegen von den Pferden und brachten ihm das Geflügel und Wild dar. Dann sammelten sie sich in dichten Scharen zu seiner Seite und redeten in einer fremden Sprache mit ihm.

Nicht lange, so bestieg der König einen kleinen Wagen, und seine Leibwächter ließen in größter Eile ihre Pferde satteln. Und mit tausend Rufen sprengten sie hinaus, daß es aussah, wie wenn man Bohnen streut, und eine dichte Staubwolke erhob sich hinter ihnen.

Schon waren sie fast alle weg, und noch immer hielt der Scholar seine Blicke auf sie gerichtet voll Schrecken und Staunen und wußte nicht, woher sie gekommen waren. Er schlüpfte in seine Schuhe und spähte nach; aber sie waren spurlos verschwunden. Er wandte sich zurück und blickte im Zimmer nach allen Seiten umher; aber nichts war zu sehen. Nur auf einem Backstein an der Wand hatten sie noch ein kleines Hündchen zurückgelassen. Der Scholar fing es schnell. Es war ganz zahm. Er setzte es in seinen Tuschkasten und besah es von allen Seiten. Es hatte ein ganz glattes, feines Fellchen, und um den Hals hatte es ein kleines Halsband. Er wollte es mit ein paar Brosamen

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Richard Wilhelm: Chinesische Volksmärchen. Eugen Diederichs, Jena 1914, Seite 139. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wilhelm_ChinVolksm_139.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)