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Dann sprach er lachend: „Ihr dürft ihm nichts tun! Das ist der Flußkönig von Dsiningdschou. Als ich in Dsiningdschou stand, hat er mich manchmal besucht, und ich habe ihm zu Ehren dann immer Opfer und Schauspiele dargebracht. Nun kommt er eigens her, um mir Glück zu wünschen und nach seinem alten Freunde zu sehen.“

In dem Lager war eine Musikkapelle; die Leute konnten singen und tanzen wie eine richtige Schauspielertruppe. Der Hauptmann ließ schleunigst ein Schauspiel beginnen und richtete ein anderes Festmahl mit Wein und köstlichen Speisen her und bat den Flußgott, Platz zu nehmen.

Es ward allmählich Abend, und der Flußgott machte noch keine Miene, zu gehen.

Da trat der Hauptmann mit einer Verbeugung zu ihm und sprach: „Wir sind hier weit vom gelben Fluß entfernt, und die Leute haben noch nie Euren Namen nennen hören. Es war mir eine große Ehre, daß Ihr mich besucht habt. Aber die Weiber und Toren, die sich da gaffend versammelt haben, fürchten sich, von Euch zu hören. Ihr habt nun Euren alten Freund ja besucht und mögt nun wieder zurückkehren.“

Mit diesen Worten ließ er eine Sänfte kommen; man schlug die Pauken und verbrannte Feuerwerk, schließlich schoß man noch neun Kanonenschüsse ab, um ihm das Geleite zu geben. Da stieg das Schlänglein in die Sänfte, und der Hauptmann folgte hinten nach. So kam man an den Hafen, und als man eben Abschied nehmen wollte, da schwamm die Schlange schon im Wasser. Sie war viel größer geworden als vorher, nickte dem Hauptmann mit dem Kopfe zu und verschwand.

Da gabs ein Zweifeln und Fragen: „Der Flußgott wohnt doch tausend Meilen weit von hier, wie kommt er denn hierher?“

Der Hauptmann aber sprach: „Der ist so mächtig, daß er überallhin kann, und außerdem führt ja von dort ein

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Richard Wilhelm: Chinesische Volksmärchen. Eugen Diederichs, Jena 1914, Seite 148. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wilhelm_ChinVolksm_148.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)