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der Knabe die Perle unverletzt heraufgebracht. Die Schätze nun, die die Drachentochter in Verwahrung hat, sind Tausende und Millionen solcher Kleinodien. Einige tausend kleiner Drachen behüten sie in ihrem Dienste. Die Drachen haben die Eigenheit, daß sie das Wachs scheuen. Sie lieben schöne Jaspissteine und Hohlgrün und essen gern Schwalben. Wenn man einen Boten sendet mit einem Brief, so kann man kostbare Perlen erhalten.“

Der Kaiser war hocherfreut und setzte eine große Belohnung aus für den, der fähig sei, als Bote in das Drachenschloß zu gehen.

Erst meldete sich ein Mann, namens So Pi-Lo. Der Weise aber sprach: „Ein Urahn vor dir hat einmal über hundert Drachen des Ostmeers getötet und wurde schließlich von den Drachen umgebracht. Die Drachen sind deinem Geschlecht feind, du darfst nicht gehen.“

Dann kam ein Mann aus Canton, Lo Dsï-Tschun, mit zwei Brüdern, der berichtete, daß Vorfahren von ihm mit dem Drachenkönig verschwägert gewesen seien. Sie seien daher mit den Drachen auf gutem Fuß und wohlbekannt und bäten, die Botschaft übernehmen zu dürfen.

Der Weise fragte: „Habt Ihr den Stein noch, der die Drachen zwingt?“

„Ja,“ sprachen sie, „wir haben ihn hier mitgebracht.“

Der Weise ließ sich den Stein zeigen; dann sprach er: „Dieser Stein taugt nur, den Drachen, der Wolken macht und Regen niedersendet, zu bezwingen, er taugt nicht für den Drachen, der des Meerkönigs Perlen wahrt.“ Dann fragte er weiter: „Habt ihr Drachenhirnduft?“

Als sie verneinten, sprach der Weise: „Wie wollt ihr da den Drachen zwingen?“

Der Kaiser sprach: „Was tun?“

Der Weise erwiderte: „Im Westmeer gibt es fremde Kauffahrer, die mit Drachenhirnduft handeln. Man muß hingehen und es bei ihnen suchen. Auch weiß ich einen Heiligen, der verstand die Kunst der Drachen und hat

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Richard Wilhelm: Chinesische Volksmärchen. Eugen Diederichs, Jena 1914, Seite 150. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wilhelm_ChinVolksm_150.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)