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Am sechsundzwanzigsten des Monats kam aus dem Lager des Feldherrn die Nachricht, daß er am dreizehnten um Mitternacht plötzlich verschieden sei. Dschou Bau erschrak und sandte einen Mann, nach ihm zu sehen. Der berichtete, daß die Herzgrube des Verstorbenen noch nicht kalt sei. Auch sei der Leichnam trotz des heißen Sommerwetters von allen Spuren der Verwesung frei. So gab er den Befehl, ihn nicht zu bestatten.

Eines Nachts erhob sich nun ein eisiger Geisterwind, der Sand und Steine aufwirbelte, Bäume zerbrach und Häuser einwarf. Das Korn des Feldes wurde alles umgeweht. Den ganzen Tag hörte es nicht auf. Schließlich ertönte krachend ein Donnerschlag, der Himmel wurde wieder klar, die Wolken zerstreuten sich. Um diese Stunde begann der tote Feldherr röchelnd auf dem Bett zu atmen, und als die Seinen nach ihm schauten, da war er zum Leben zurückgekehrt.

Sie fragten ihn nun aus, und er erzählte: „Erst sah ich einen Mann in purpurnem Gewand auf schwarzem Pferd, der mit großem Gefolge herbeikam. Vor der Tür stieg er ab. Er hielt in der Hand eine Ernennungsurkunde und gab sie mir, indem er sprach: ‚Unsere Prinzessin bittet Euch ehrerbietig, ihr Feldherr zu werden. Ich hoffe, Ihr lehnt nicht ab.‘ Dann tat er Geschenke hervor und häufte sie vor der Treppe auf. Jaspis, Brokat und seidene Kleider, Sättel, Pferde, Helme und Panzer türmte er im Hofe auf. Ich wollte ablehnen; aber er ließ es nicht zu und drängte mich, mit ihm einen Wagen zu besteigen. Wir fuhren hundert Meilen weit, da kam ein Zug von dreihundert gepanzerten Reitern, mich einzuholen. Sie führten mich nach einer großen Stadt. Vor der Stadt war ein Zelt errichtet, in dem eine Musikbande spielte. Ein hoher Beamter kredenzte mir Wein zum Willkomm. Als ich die Stadt betrat, da standen die Zuschauenden wie Mauern gedrängt, Diener liefen ab und zu und überbrachten Befehle. Es ging wohl durch ein Dutzend Tore, bis wir an

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Richard Wilhelm: Chinesische Volksmärchen. Eugen Diederichs, Jena 1914, Seite 158. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wilhelm_ChinVolksm_158.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)