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Wein? Und Hühner habt ihr eine ganze Herde. Täglich füttert ihr ihnen einen Scheffel Hirse. Warum wollt ihr nicht ein einziges hergeben, um eurem verstorbenen Vater eine Freude zu machen?“

Die Mutter brachte es nicht länger über sich. Sie befahl der Schwiegertochter, Huhn und Wein zu bringen, und der Besessene begann zu essen und zu trinken. Wie er aber aß, da mummelte er mit spitzen Lippen wie ein Wiesel, und alle, die es sahen, mußten heimlich lachen.

Nun war in der Nachbarschaft ein Bursche, der war groß und stark; er nahm ein Messer und rief: „Bist du nicht der alte Wiesel und stellst dich nur so, als wärest du der verstorbene Vater? Wenn du nicht gleich die Wahrheit sagst, so bringe ich dich um.“

Auf diese Worte hin verzog sich das Gesicht des Pächters in Schreck und Furcht. „Ich bin freilich nicht der alte Vater,“ sprach er; „aber der da ging heute mit einem Bauern an unsrer Höhle vorüber und führte schlimme Reden und sagte, er wolle unser ganzes Geschlecht ausräuchern. Deswegen bin ich gekommen, um es ihm heimzuzahlen. Es ist noch einer mit mir gekommen, der hat den Bauern besessen gemacht. Da ihr mir aber nun eine Mahlzeit hergerichtet habt, so will ich gehen und auch meinen Genossen abholen.“

Nach diesen Worten fiel der Pächter aufs Bett und kam allmählich wieder zu sich.

Im Haus des Bauern war es ähnlich gegangen. Als der nach dem Nachtessen schlafen gehen wollte, wurden plötzlich seine Augen starr, und er ward wirr im Geiste. Es warf ihn auf den Boden, und dann sprang er wieder auf und hüpfte mehrere Fuß hoch auf der Erde umher, so daß er den Kopf an die Balken stieß. Dann schlug er sich auf die Brust und begann sich selber zu beschimpfen. „Seit alten Zeiten wohnen wir in der Berghöhle, und ihr wolltet uns ausräuchern!“ kam es aus ihm hervor. Dann sprang er wieder in die Höhe, und niemand konnte ihn

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Richard Wilhelm: Chinesische Volksmärchen. Eugen Diederichs, Jena 1914, Seite 172. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wilhelm_ChinVolksm_172.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)