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noch: „Ich danke Euch, daß Ihr den weiten Weg zu mir gemacht habt. Ich habe nichts, das ich Euch schenken könnte, als dies Paar grüner Seidenschuhe. Wenn Ihr sie tragt, so könnt Ihr gehen, soviel Ihr wollt, und werdet doch nicht müde. Auch werden Eure Augen aufgetan, daß Ihr Geister und Götter sehen könnt.“

Der Mann bedankte sich für das Geschenk und kehrte auf sein Schiff zurück. Er setzte seine Reise fort nach Westen, und nach einem Jahr kam er wieder zurück. Am Großen Berge angekommen, dachte er, es schicke sich doch wohl, wenn er dem Gotte Antwort sage. So schlug er wieder an den Baum und nannte seinen Namen. Schon tauchte auch der rote Bote wieder auf und führte ihn vor den Herrn des Berges. Dem erzählte er, daß er den Brief beim Flußgott abgegeben habe und wie es dort stehe. Der Berggott dankte sehr. Während des Essens, das der Berggott für ihn bereitet hatte, zog er sich für einen Augenblick an einen stillen Ort zurück. Da sah er plötzlich seinen verstorbenen Vater, gefesselt und in Ketten, der mit mehreren hundert Verbrechern zusammen unwürdige Dienste leisten mußte.

Zu Tränen gerührt, fragte er ihn: „Vater, warum seid Ihr hier?“

Der Vater sprach: „Ich habe während meines Lebens auf Brot getreten; darum ward ich verurteilt, hier an diesem Orte Dienst zu tun. Zwei Jahre sind schon vorüber, doch ist die Bitternis unsäglich. Du bist mit dem Berggott bekannt, da magst du für mich bitten, daß er mir diesen Dienst erläßt und mich zum Ackergott in unserem Dorf ernennt.“

Der Sohn versprach es ihm. Er kehrte wieder zurück und bat den Berggott für seinen Vater. Der zeigte seiner Bitte sich geneigt, doch sprach er warnend: „Tod und Leben haben verschiedene Wege. Es ist nicht gut, dauernd einander nah zu sein.“

Der Mann kehrte heim. Doch als etwa ein Jahr vergangen war, da waren seine Kinder beinahe alle gestorben. In

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Richard Wilhelm: Chinesische Volksmärchen. Eugen Diederichs, Jena 1914, Seite 190. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wilhelm_ChinVolksm_190.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)