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etwas davon erfuhr. Schließlich machte er seiner Frau einige Andeutungen. Die hatte Argwohn, daß es eine Sklavin sei aus einem mächtigen Hause und ermahnte ihn, sie fortzutun. Er aber hörte nicht darauf.

Einst ging er auf den Markt. Da traf er einen Priester, der sah ihn an und war erstaunt. Er fragte ihn, wer ihm begegnet sei.

„Niemand“, gab er zur Antwort.

Der Priester sprach: „Ihr seid rings von unheilvollem Hauch umgeben. Was sagt Ihr denn niemand?“

Der junge Mann leugnete nochmals hartnäckig.

Da ging der Priester und sagte: „Seltsam, daß es Menschen auf der Welt gibt, die ihrem Tod entgegengehen und sich nicht zur Besinnung bringen lassen!“

Dem jungen Manne wurmten diese Worte, und das Mädchen kam ihm etwas verdächtig vor. Dann aber wandten sich seine Gedanken: „Sie ist doch klar und deutlich ein hübsches Mädchen. Wie sollte sie mir Unheil bringen! Ich denke, der Priester hat wohl sich durch Beschwörungen ein bißchen Geld erjagen wollen.“

So kam er an das Tor seines Hauses. Es war von innen verriegelt, man konnte nicht hinein. Er fragte sich, wer es wohl getan habe. Dann stieg er über die Mauer. Aber auch die Zimmertür war verschlossen. Da schlich er sich ans Fenster und spähte hinein. Er erblickte einen greulichen Teufel, blaugrün im Gesicht, dem die Zähne wie eine Säge im Maule standen. Der hatte eine Menschenhaut auf dem Bett ausgebreitet und einen Pinsel mit Farbe in der Hand, mit dem er sie bemalte. Als er fertig war, warf er den Pinsel hin, nahm die Haut auf wie ein Kleidungsstück und zog sie an. Da verwandelte er sich in das Mädchen.

Der junge Mann, der diesen Vorgang sah, geriet in große Furcht und kroch auf allen vieren zum Hofe hinaus.

Eiligst suchte er nach dem Priester. Niemand wußte, wo er hingegangen. Er folgte allenthalben seinen Spuren, da

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Richard Wilhelm: Chinesische Volksmärchen. Eugen Diederichs, Jena 1914, Seite 242. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wilhelm_ChinVolksm_242.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)