Seite:Wilhelm ChinVolksm 274.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

Viergespanne mit als Geschenk für seinen Herrn. Auch schrieb er einen Brief an den Grafen von Ludschou:

„Mein Leben stand in Eurer Hand. Ich danke Euch, daß Ihr mich geschont, bereue meine Absicht und will mich bessern. Von nun ab soll ewig Fried und Freundschaft zwischen uns bestehen, und ich werde niemals wieder andere Gedanken hegen. Die Bürgerwehr, die ich um mich versammelt, soll mir zum Schutze gegen Räuber dienen. Ich habe sie bereits entwaffnet und an die Feldarbeit zurückgeschickt.“

Von da ab herrschte zwischen den beiden Verwandten im Norden und Süden des gelben Flusses die herzlichste Freundschaft.

Eines Tages kam die Sklavin und wollte sich von ihrem Herrn verabschieden. Der sprach: „Du bist hier im Hause geboren; wohin willst du denn gehen? Auch brauche ich dich so notwendig, daß ich dich nicht entbehren kann.“

„In meinem früheren Leben“, sprach die Sklavin, „war ich ein Mann. Ich half als Arzt den Kranken. Da kam einmal eine Frau in guter Hoffnung zu mir, die litt an Würmern. Aus Versehen gab ich ihr Seidelbastwein zu trinken, und sie starb samt ihrem Kinde, das sie trug. Dadurch zog ich mir die Vergeltung des Herrn der Toten zu, und ich wurde wiedergeboren als Mädchen in geringer Stellung. Doch kam die Erinnerung an mein früheres Leben über mich; ich pflegte eifrig meinen Wandel und fand auch einen seltenen Lehrer, von welchem ich die Schwerterkunst erlangte. Nun hab ich Euch schon neunzehn Jahre lang gedient. Ich ging für Euch nach Webo, um Eure Güte zu vergelten. Ich habe es dadurch erreicht, daß Ihr mit Euren Verwandten nun wieder in Frieden lebt, und Tausenden von Menschen habe ich so das Leben gerettet. Das ist für eine schwache Frau doch immer ein Verdienst, genügend, meine frühere Schuld zu tilgen. Nun will ich mich von der Welt zurückziehen und in den stillen Bergen weilen, um reinen Herzens meine Heiligung zu wirken. Vielleicht,

Empfohlene Zitierweise:
Richard Wilhelm: Chinesische Volksmärchen. Eugen Diederichs, Jena 1914, Seite 274. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wilhelm_ChinVolksm_274.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)