Seite:Wilhelm ChinVolksm 323.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

Sie wurde blaß und machte ihm Vorwürfe. Da wurde auch bei Siä Kung-Schong aus dem Scherze Ernst, und es gab böse Worte.

Endlich sprach die Prinzessin: „Diesmal will ich nicht warten, bis ich verstoßen werde. Nun ists endgültig aus.“ Damit ging sie zur Tür hinaus.

Der Vater Siä geriet in große Angst und züchtigte den Sohn selbst mit dem Stabe und bat den Gott um gütiges Verzeihen. Zum Glück folgte nichts Böses. Alles blieb still und ohne Laut.

So verging über ein Jahr. Siä Kung-Schong sehnte sich nach der Prinzessin und ging ernstlich in sich. Im geheimen schlich er sich in den Tempel des Gottes und klagte um die Prinzessin. Aber da war keine Stimme noch Antwort. Bald darauf hörte er auch noch, daß der Gott seine Tochter einem andern Manne verlobt habe. Da verlor er im Herzen die Hoffnung und suchte auch eine neue Verbindung einzugehen. Doch fand er trotz allen Suchens keine, die der Prinzessin gleichgekommen wäre. So mehrte sich denn seine Sehnsucht nach ihr. Er ging in das Haus Yüan, wohin sie, wie es hieß, versprochen worden. Da hatten sie schon die Wände gestrichen und den Hof gekehrt, und alles war zum Empfang des Brautwagens vorbereitet. Reue und Unwille übermannten ihn. Er aß nicht mehr und wurde krank. Seine Eltern waren ganz betäubt von der Sorge um ihn, unfähig, einen Rat zu ersinnen.

Plötzlich fühlte er mitten in seinem Hindämmern, wie jemand ihn streichelte und sprach: „Wie stehts mit unserm rechten Mann, der durchaus seine Frau verstoßen wollte?“

Er tat die Augen auf, da war es die Prinzessin.

Voll Freude sprang er empor und sprach: „Wie kamst du nur wieder?“

Die Prinzessin antwortete: „Eigentlich hätte ich nach deiner Art, die Leute schlecht zu behandeln, meines Vaters Befehl gehorchen und einen andern nehmen sollen.

Empfohlene Zitierweise:
Richard Wilhelm: Chinesische Volksmärchen. Eugen Diederichs, Jena 1914, Seite 323. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wilhelm_ChinVolksm_323.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)