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„Ja, du bist mein Sohn“, sprach er dann.

Er fragte ihn nach der Zeit seines Geburtstages, und alles stimmte genau. Das war ihm ein rechter Trost in seinem Innern. Doch ging es mit seinem Besitz immer mehr bergab. Nach zwei Jahren war das Land vollends verkauft, und er konnte keine Diener mehr halten.

Eines Tages kochten Vater und Sohn zusammen ihr Essen, da trat plötzlich eine schöne Frau herein. Er blickte sie an, es war Schneeflocke.

Erstaunt fragte er, woher sie komme.

Sie sagte lächelnd: „Wir waren doch einmal fast wie Mann und Frau, was fragst du noch? Daß ich dir früher nicht schon gefolgt, das kam, weil meine alte Amme noch lebte. Nun ist die Amme tot, und ich überlegte mir, wenn man sich keinem Manne anschließt, so ist man schutzlos preisgegeben; schließt man sich einem Manne an, so muß man seine Reinheit preisgeben. Überlegend, wie man beides vermeiden könne, fiel mir ein, daß ich am besten bei dir geborgen sei. Darum scheute ich nicht den weiten Weg.“

Mit diesen Worten legte sie ihren Schmuck weg und löste den Sohn beim Kochen ab. Als es Abend war, schliefen Vater und Sohn wie seither beisammen und bereiteten ein anderes Zimmer, um Schneeflocke zu beherbergen.

Schneeflocke verstand es aufs beste, den Sohn zu erziehen.

Als die Verwandten Yüo Dschungs von der Sache hörten, brachten sie dem Yüo Dschung Geschenke von Speisen. Die beiden freuten sich darüber und behielten sie zu Gast. Für die Haushaltungsgeräte hatte Schneeflocke gesorgt, ohne daß Yüo Dschung fragte, woher sie kamen. Schneeflocke tat allmählich ihr Gold und ihre Perlen hervor und löste den alten Besitz wieder ein. So kam es, daß Knechte und Mägde, Pferde und Rinder von Tag zu Tag sich mehrten.

Yüo Dschung warnte zuweilen Schneeflocke: „Wenn ich

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Richard Wilhelm: Chinesische Volksmärchen. Eugen Diederichs, Jena 1914, Seite 347. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wilhelm_ChinVolksm_347.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)