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heraus und sagten: „Vater, wie hast du das schwere Ding nur tragen können?“ Da sagte er ihnen das Geheimnis der Stange und führte es ihnen vor. Er ordnete nun sein Reich, ernannte die vier Paviane zu Feldherren, und auch die sieben Tiergeister, der Ochsengeist, der Drachengeist, der Vogelgeist, der Löwengeist und die andern schlossen sich ihm an.

Eines Tages hatten sie sich betrunken. Die Stange hatte er schon vorher zusammenschrumpfen lassen und ins Ohr gesteckt. Als er einschlief, da sah er im Traum zwei Männer kommen, die hatten eine Karte, auf der geschrieben stand: „Sun Wu Kung.“ Sie duldeten keinen Widerstand, sondern banden ihn und führten seinen Geist davon. Als sie an eine große Stadt kamen, erwachte der Affenkönig allmählich aus seinem Rausche. Er sah eine eiserne Tafel über dem Stadttor; darauf stand mit großen Buchstaben: „Die Unterwelt.“ Da ging ihm plötzlich ein Licht auf, und er sprach: „Das ist wohl die Wohnung des Todes? Aber ich bin doch seinem Machtbereich schon längst entnommen, wie kann er es wagen, mich herschleppen zu lassen!“ Je mehr er nachdachte, desto wilder wurde er. Er holte die Stange mit den goldenen Zwingen aus seinem Ohr hervor, schwang sie und ließ sie groß werden. Dann zermalmte er die beiden Schergen zu Brei, zerriß seine Stricke und rollte seine Stange vor sich her bis in die Stadt. Die zehn Todesgötter erschraken und neigten sich bestürzt vor ihm und fragten: „Wer seid Ihr?“

Sun Wu Kung erwiderte: „Wenn Ihr mich nicht kennt, was schickt Ihr dann nach mir und laßt mich herschleppen? Ich bin der vom Himmel geborene Heilige Sun Wu Kung vom Berg der Blumen und Früchte. Aber wer seid Ihr? Schnell sagt mir Eure Namen, sonst schlag ich Euch!“ –

Demütig nannten die zehn Todesgötter ihre Namen.

Sun Wu Kung sprach: „Ich, der alte Sun, habe die Kraft des ewigen Lebens erlangt. Ihr habt mir nichts zu sagen. Schnell holt das Buch des Lebens her!“

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Richard Wilhelm: Chinesische Volksmärchen. Eugen Diederichs, Jena 1914, Seite 366. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wilhelm_ChinVolksm_366.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)