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Pfirsichgarten der Königin-Mutter des Westens ein Schloß für ihn zu bauen, in das er mit allen Ehren eingeführt wurde.

Nun war der Heilige in seinem Element. Er hatte alles, was sein Herz begehrte, und ward durch keine Arbeit beschwert. Er ließ sichs wohl sein und ging nach Belieben im Himmel spazieren und machte bei den Göttern Besuche. Die drei Reinen und die vier Herrscher redete er mit einiger Ehrerbietung an; die Planetengötter aber und die Herren der achtundzwanzig Mondhäuser und der zwölf Tierkreisbilder und der sonstigen Sterne nannte er vertraulich „du“. So trieb er sich Tag für Tag ohne Beschäftigung in den Wolken des Himmels umher.

Da sprach einst ein Weiser zum Herrn des Himmels: „Der heilige Sun ist Tag für Tag müßig. Es ist zu fürchten, daß er auf unnütze Gedanken kommt. Besser wäre es, ihm irgend ein Amt zu übertragen.“

Der Herr des Himmels berief darum den Großen Heiligen und sprach zu ihm: „Die Lebenspfirsiche im Pfirsichgarten der Königin-Mutter werden bald reif. Ich übertrage dir das Amt, darauf zu achten. Sei sorgfältig in deinem Dienst!“

Das gefiel dem Heiligen, und er bedankte sich. Er ging nun in den Garten, wo ihn die Hüter und Gärtner auf den Knien empfingen.

Er fragte sie: „Wieviele Bäume sind im ganzen da?“

„Dreitausendsechshundert“, sprach der Gärtner. „In der vordersten Reihe stehen zwölfhundert. Die blühen rot und tragen kleine Früchte. Alle dreitausend Jahre werden sie reif. Wenn man davon ißt, wird man gesund und frisch. Die zwölfhundert in der mittleren Reihe haben gefüllte Blüten und tragen süße Früchte; sie werden alle sechstausend Jahre reif. Ißt man davon, so kann man im Morgenrote schweben, ohne alt zu werden. Die zwölfhundert in der letzten Reihe tragen rotgestreifte Früchte mit kleinen Kernen. Alle neuntausend Jahre werden sie

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Richard Wilhelm: Chinesische Volksmärchen. Eugen Diederichs, Jena 1914, Seite 373. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wilhelm_ChinVolksm_373.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)