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so großes Wort, das Luther einfügt in die Auslegung des 1. Artikels „und noch erhält.“ In diesem Noch, was liegt da für ein bewundernder Blick auf die göttliche Erbarmung und die Güte, die er uns stets beweist und zugleich auf unsere Unwürdigkeit, daß wir es nicht wert sind.

 So dürfen wir sagen: die Schöpfung ist die Offenbarung des göttlichen Liebesgedankens über das menschliche Geschlecht. Und wir dürfen das mit vollstem Recht hervorheben; wir dürfen aus der Schöpfung der Welt schließen auf einen Liebesgedanken mit der Menschheit. Warum? Weil das ganze Schöpfungswerk deutlich abzielt auf den Menschen hin.


III.

 So betrachten wir weiter das Schöpfungswerk in seiner Abzielung auf den Menschen. Gott ja hätte zweifellos vermocht die Welt in einem Augenblick fertig hinzustellen. Er hat das nicht gewollt, sondern er hat sie erstehen lassen in allmählichem Werden. Ja, wie hat sich da Gott zu uns herabgelassen! Für ihn gibt es keine Zeit; vor ihm sind 1000 Jahre wie ein Tag; aber er ist doch der Herr der Zeit und die Zeit ist ein Geschenk, eine Gabe, die er uns darreicht. Sie ist die uns verstattete Möglichkeit etwas zu sein und zu werden zum Dank seiner Liebe. Gott hat nicht nur die Zeit gemacht und gegeben, er geht auch selbst in die Zeit ein, steht als das A und O am Anfang und Ende der Entwicklung und der Geschichte der Welt. So ist denn Gott bei der Schöpfung der Welt so verfahren, daß er sie in allmählichem Werden entstehen ließ. Wir sprachen schon von der ersten und zweiten Schöpfung, wie unsere Väter sagten, und wiesen auch schon hin auf das Sechstagewerk; es ist von vielen belächelt und als etwas Undenkbares erklärt worden, und ich erinnere mich wohl der Worte eines Theologen, der sagte: „Den Schöpfungsbericht kann man doch nicht mehr aufrecht erhalten. Wer ist es der ihn noch als Mann der Wissenschaft aufrecht festzuhalten wagt?“ Doch wir sagen: Erstaunliche Wahrheiten liegen im Schöpfungsbericht, nicht nur religiöse, sondern auch naturwissenschaftliche sind im 1. Buch Moses niedergelegt, auf welche damals als es geschrieben wurde noch kein Mensch in der Welt gekommen war. So der Gedanke des stufenweisen Werdens der Welt, dann daß die Pflanzen älter sind als die Tiere, was heute der Wissenschaft völlig feststeht, daß ferner die vierfüßigen Tiere jünger sind als die Vögel und Fische, was auch die Wissenschaft anerkennt und schon aus dem Schöpfungsbericht deutlich hervorgeht. Wir geben zu, daß einzelne Schwierigkeiten vorliegen, so den 4. Tag anlangend, daß da erst Sonne, Mond und Sterne geschaffen worden wären, während doch die Erde von der Sonne abhängig ist, und sich um sie bewegt, von