Seite:Wilhelm Eichhorn - Einsegnungsstunden 1916.pdf/31

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

zielt die ganze Schöpfung deutlich auf den Menschen ab und die Erschaffung des Menschen macht daher den Schluß der Schöpfung. Es ist ein großes Wort, das die Schrift sagt: „Am Anfang schuf Gott Himmel und Erde,“ aber nicht minder groß ist das Wort von der Erschaffung des Menschen.

 Bei dieser Erschaffung, weil auf sie alles abzielt, hat Gott zuerst den Ratschluß ausgesprochen: „Lasset uns Menschen machen“ und dann selbst das Werk in die Hand genommen – ohne Zweifel durch der Engel Dienst, den Körper des Menschen gebildet aus Erdenstaub, selbst ihm den Geist eingehaucht und ihn gemacht zu einer lebendigen Seele. So ist der Mensch von der Erde genommen, aber ihm wurde auch ein Geist, den Gott selbst ihm gab. Also gehört der Mensch der sichtbaren und der unsichtbaren Welt zugleich an, ihm eignet ein sichtbares Teil, das ihn mit dieser Welt verbindet, und ein unsichtbares Teil, das ihm ermöglicht zu Gott sich aufzuschwingen. Es gibt so viele, die über dem sichtbaren ihr unsichtbares Teil vergessen; wir wollen auch über dem Unsichtbaren und Ewigen das Sichtbare nicht vergessen. Wir wollen nicht etwa die irdischen Dinge gering achten, sondern auf dem Boden bleiben, auf den Gott uns gestellt; zur Arbeit in dieser Welt sind wir bestimmt. Man soll nicht durch verkehrtes Verlangen nach dem Ewigen sich die Tätigkeit im Irdischen schwieriger oder sorglicher machen, sondern beides in richtiger Weise verbinden. Schwestern sind vielleicht manchmal in der Gefahr zu sehr den Boden unter den Füßen zu verlieren, sich zu sehr zu verlieren in höhere Gedanken und darüber die Tätigkeit nicht genugsam zu beachten und hochzuschätzen. Beides muß miteinander verbunden bleiben. Aber wir dürfen noch mehr sagen: Gott hat durch die Schöpfung seinen eigenen Liebeswillen erstmals kund getan. Da ist Gott herausgetreten aus der Unsichtbarkeit, er der Urquell aller Dinge, und hat sich durch diese Schöpfungstat andern bezeugt; die Schöpfung zielt auf den Menschen ab. Aber


IV.

sie begründet zugleich das Liebesverhältnis Gottes und der Menschheit. Es ist ein wichtiger Satz: „Am Anfang schuf Gott Himmel und Erde.“ Es ist ein nicht minder wichtiger Satz: „Gott schuf den Menschen ihm zum Bilde, zum Bilde Gottes schuf er ihn.“ Als das göttliche Ebenbild hat Gott den Menschen geschaffen zunächst zu dem Zweck damit der Mensch herrschen sollte über die Erde. Wie Gott die Welt beherrscht, so der Mensch die Erde; er sollte sie zu Gottes Eigentum machen. Das kann der – Mensch, weil er denken und wollen kann; durch sein Denken kann er Gott in der Natur erkennen und durch sein Wollen kann er sie in seinem Dienst nehmen. Das Denken und Wollen des