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haben wir vor allem zu reden, wenn wir die vorbereitende, erziehende Liebe Gottes im alten Testament bewundern wollen.

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 So sagt der Apostel (Röm. 3), daß die Sünde bis dahin, bis das vollkommene Opfer in Christo kam, gestellt gewesen sei unter die göttliche Geduld. Beides, Geduld und Langmut hat Gott bewiesen. Geduld ist das die Sünde Tragende, Langmut besagt, daß Zorn und Strafe zurückgestellt werden. Ja, wieviel Ursache haben wir, die Geduld und Langmut zu bewundern, wie er sie bewiesen hat gegenüber dem ganzen Menschengeschlecht. Mit seiner Geduld trägt Gott die Sünder. Ach, wieviel häufen die Menschen Schuld auf Schuld! Gott aber ist geduldig und langmütig; er schiebt die Strafe hinaus und läßt Zeit zur Buße. Ja, diese Liebe unseres Gottes ist freilich stark wie der Tod. Diese Liebe kann nicht verlöschen. Wir bewundern die Macht der göttlichen Liebe; wollen wir nur auch die Geduld des Herrn recht für unsere Seligkeit achten, wie St. Petrus uns dazu ermahnt! Wollen wir uns doch ja hüten, seiner Geduld irgend auf Mutwillen zu ziehen und wollen wir auch selber Geduld üben! Mit uns haben wir meist nur zuviel, mit andern haben wir so wenig. Geduld haben wir vor allem zu üben gegenüber den Schwachen, gegen die Kinder, gegen die Pfleglinge. Nicht von aufwallendem Zorn sich hinreißen lassen, nicht harte Züchtigung ohne genügenden Grund; im Gegenteil, Geduld gilt es zu üben auch sonst gegen die Untergebenen, Geduld gegen die jüngeren Schwestern, die erst herangezogen werden müssen, Geduld gegen die Schülerinnen, die an den ihnen vorgesetzten Schwestern sehen sollen, wie Dienerinnen der Barmherzigkeit, Dienerinnen der erbarmenden Liebe sich bewähren. Geduld sollen wir auch üben gegenüber den Mißständen, die da und dort uns entgegentreten, auch in unserem Hause, auf den einzelnen Stationen. Geduld soll geübt werden gegen die Mißstände in den einzelnen Gemeinden, daß man auch mittrage, wenn in der Gemeinde Schweres vorkommt. Geduld müssen wir üben mit unserem Land und Volk auch in der Gegenwart, wo wir auch darum oft so ungeduldig sind, weil diese Trübsalszeit nicht die Frucht bringt, die wir erwarten möchten. Geduld sollen wir üben auch mit unserer Kirche, die ja freilich der Mängel viele an sich trägt, die das Kleinod, das sie hat, Wort und Sakrament, im Leben so wenig ausnützt und gebraucht. Da gilt es auch Geduld zu haben und zu üben, wie wir ja auch selber die Geduld Gottes und der Menschen fortwährend brauchen. Doch freilich hat die Geduld auch eine Grenze. Im Sendschreiben an die Gemeinde zu Ephesus rühmt der erhöhte Herr und Christ, der das Tun der Gemeinde kennt, beides die Arbeit und die Geduld dieser Gemeinde, aber auch daß sie die Bösen nicht tragen kann. Es gibt also eine Grenze, wo man die Sünde nicht mehr