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zu opfern um ihn günstig zu stimmen: den erstgebornen Sohn oder eine reine Jungfrau, eine Königstochter, die als der höchst begehrenswerte Preis für alle erschien – freilich zugleich die furchtbarste Verirrung, die es geben kann, da der Mensch nie das Recht hat über eines andern Leben zu verfügen und ihn zum Tode zu bringen. Die Menschenopfer hat Gott später sehr nachdrücklich verboten und Abraham sah sie wohl auch sicherlich als Greuel an, da sie bei den kananitischen Völkern auch üblich waren. Nun verlangte Gott von ihm das gleiche zur Probe seines Gehorsams und das Lob, das ihm Gott erteilte, lautete: „Denn nun weiß ich, daß du Gott fürchtest und hast deines eigenen Sohnes nicht verschonet um meinetwillen.“ Da sehen wir den Hinweis, der darin liegt auf das vollkommene Opfer und bis dahin will nun Gott mit dem Opfer von Tieren sich begnügen. Deshalb wird dem Abraham der Widder gezeigt in der Nähe, den er darbringen soll und die Stätte, da er dies Opfer brachte, war Morija, wo später der Tempel stand als die Stätte, wo Gott die Opfer Israels wollte annehmen. So gehen die Opfer überall durch die heilige Geschichte. Ob die Israeliten in Aegypten in der Knechtschaft Gott opfern konnten, mag zweifelhaft erscheinen; aber es war ihr Wunsch Gott ein Opfer bringen zu dürfen in der Wüste, in der Freiheit. Im Gesetz hat Gott das Opfer völlig akzeptiert und ausgestaltet und alles bis ins kleinste angeordnet. Da wird genau bestimmt die Stätte. Wo das Gedächtnis des Namens Gottes wohnen sollte und wo Gott seine Gegenwart seinem Volke verheißen hatte, da soll auch die Stätte des Opfers sein und nirgends anders. Auch die Zeit der Opfer wurde aufs genaueste festgesetzt. Wir wissen, fortwährend mußte das heilige Feuer erhalten werden, fortwährend der Opferduft aufsteigen wie vom Brandopferaltar im Vorhof so vom Rauchopferaltar im Heiligtum. Und auch die Personen, die opfern durften, wurden von Gott selbst erwählt. Die verschiedenen Arten der Opfer stellen die verschiedenen Bedeutungen des Opferns genau vor Augen: Dank und Lob in den Brandopfern, die ganz verbrannt wurden, in den Speiseopfern der Gedanke der Gemeinschaft Gottes mit den Menschen, die durchs Opfer betätigt wird. Bei den Dankopfern, die man eigentlich Friedopfer nennen müßte, ist die Opfermahlzeit das Hervorstechende und es tritt der Gedanke hervor, daß die Opfernden wie mit Gott so auch untereinander Gemeinschaft genießen wollen. Dann die eigentlich blutigen Opfer zum Zweck der Versöhnung, die Sünd- und Schuldopfer, bei denen besonders das Blut des Opfers auf den Altar gegossen, oder an die Hörner desselben mit Ysopstengeln gestrichen wurde, die Sündopfer aus dem allgemeinen Sündenbewußtsein heraus, die Schuldopfer bei einzelnen Verfehlungen in Verbindung mit der Wiedererstattung, in diesem Fall gesetzliches Gebot. Am großen Versöhnungstag erreichte