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dieser Opferdienst Israels seinen Höhepunkt, wo der Hohepriester selbst das Opfer darbringen, die Sünde des Volkes bekennen mußte unter Handauflegung auf das eine der beiden durch das Loos zu bestimmenden Tiere und wo er mit dem Blut des andern Opfertieres eingehen durfte in das Allerheiligste, um siebenmal mit dem Finger das Blut des Opfers zu sprengen gegen den Gnadenstuhl, den Deckel der Bundeslade, um dadurch Israel aufs neue wieder zu entsündigen. Was sollte dieser Gesamtopferdienst Israels anderes, als dem Volk deutlich vor Augen stellen die Notwendigkeit einer Versöhnung mit dem heiligen Gott, den Gedanken, daß man sich wohl Gott nahen darf, aber nur auf Grund des Opfers, auf Grund der Versöhnung aus Gnaden. Wie nun dieser äußere Opferdienst Israels stets das Bewußtsein wach erhalten sollte von der Notwendigkeit einer Versöhnung, so sollte in innerlicher tieferer Weise dazu dienen das Gesetz, von dem wir in dem Vortrag über die erziehende Liebe Gottes in der Vorbereitung auf Christus schon gehört haben. Wir wissen schon, daß des Gesetzes wichtigster Zweck der war, die Erkenntnis der Sünde zu wecken und aufrecht zu erhalten, dem Volk Israel in Erinnerung zu rufen, daß Gott ein eifriger Gott ist, der es genau nimmt mit der Liebe, die man ihm schuldet und daß es einen Zorn Gottes gibt, der eine Sühnung erheischt.

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 Und das bestätigt vollauf das Neue Testament. Auch der Herr selbst deutet wiederholt an, daß die Menschen von Natur unter dem Zorn stehen: „Wenn ihr euch nicht bessert, werdet ihr alle also umkommen.“ „Des Menschen Sohn ist gekommen zu suchen und selig zu machen das verloren ist.“ Ein hochzeitlich Kleid bedarf der Mensch um vor Gott bestehen zu können. So wird auch durch Christum die Notwendigkeit einer Versöhnung angedeutet in seinen Vorhersagungen vom Gericht, die einen nicht unbedeutenden Teil seiner Reden ausmachen. Schon in der Bergpredigt weist er darauf hin, daß er einst als Richter der Menschen da stehen wird und das Urteil sprechen, ob er sie kenne oder nicht. Joh. 5. hat dann der Herr bestimmt bezeugt, daß der Vater ihm das Gericht übergeben hat, darum daß er des Menschen Sohn ist; weil er gekommen ist als Erlöser der Welt, darum wird er auch als Richter vor ihr stehen. Und so in gar manchem Gleichnis. Wir dürfen sagen: auch das Wort Christi bezeugt es uns deutlich, daß es eine Sünde gibt und ein Gericht. Die Menschen stehen in der Sünde, die Sünde hat als Folge und Strafe nach sich den Tod, die Zurückweisung und Ausschließung von Gott, der Quelle des Lebens. Die Menschen stehen im Verhängnis des Todes und bedürfen einer Rettung, einer Erlösung, die geschehen wird und muß auf dem Wege der Versöhnung. Das bezeugen uns auch die heiligen Apostel. Am deutlichsten Paulus im Römerbrief, wenn er aus dem Alten Testament das