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beschaffte, während er durch sein Leiden und Sterben die Schuld der Sünde tilgte. Etwas zu äußerlich denken sie diese Tilgung der Schuld durch den Tod und die Beschaffung der Gerechtigkeit durch sein heiliges Leben; da doch beides zusammenfällt: Tilgung der Schuld und Gerechtwerdung vor Gott.

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 Es wurde nun bald mehr der leidende, bald mehr der tätige Gehorsam betont. Die den leidenden Gehorsam ausschließlich betonen, wie man das besonders in manchen Erbauungsschriften finden kann in alter und neuer Zeit, werden wohl so weit geführt, daß sie meinen, Christus habe auch die Höllenstrafe für uns erdulden müssen und erduldet wie das etwa auch Ludwig Harms in einer Charfreitagspredigt vorgetragen hat. Davon weiß die heilige Schrift nichts, ja sie schließt es aus durch das Wort: Es ist vollbracht. Das Erdulden der Höllenstrafen ist doch nicht denkbar von dem Sohn Gottes; denn was ist das Furchtbarste der Höllenstrafen? Das Bewußtsein es selbst verschuldet zu haben. Das konnte der Sohn Gottes nicht kennen. Er hat auch in dem tiefsten Leiden daran festgehalten, daß er den Weg des Gehorsams gegen seinen Gott und Vater geht: „Nicht mein, sondern dein Wille geschehe,“ auch da, wo alles vor ihm dunkel geworden ist. Andere betonten wieder zu sehr den tätigen Gehorsam. Das hat zur Reformationszeit Osiander, der Reformator Nürnbergs – bekanntlich aus Gunzenhausen gebürtig – getan, der den Gedanken ausführte, wie in dem menschgeborenen Christo das Ebenbild Gottes wieder geschaffen sei und die Rechtfertigung darauf gründet, daß dies neue Leben auch in uns erstehe, was unsere Kirche mit Recht als nicht unbedenklich ablehnen mußte. Etwas Aehnliches hat zu unsern Zeiten der große Schriftforscher Hofmann vorgetragen, der den Gedanken des Strafleidens glaubt ablehnen zu müssen. Christus, so meint er, bewährte sich unter den Folgen der Sünde in vollkommenem Gehorsam und ging so aus dem alten in ein neues Leben hinüber, das er für die Menschheit beschaffte. Wir werden da doch etwas zu wenig den Gedanken des stellvertretenden Leidens und Sterbens finden, den der Herr selber ausspricht in den Worten: „Ich gebe mein Leben zu einem Lösegeld für viele.“ So etwa werden wir es uns zu denken haben: Die Heiligkeit Gottes erfordert allerdings eine Strafe und wenn diese Strafe auch nach der Barmherzigkeit Gottes nicht sollte vollzogen werden, so verlangte die göttliche Heiligkeit eine Sühne. Die Menschheit konnte sie nicht selber beschaffen, sie konnte nicht selbst den Rückweg zu Gott finden. Aus der Menschheit sollte und mußte diese Sühne hervorgehen. Da sie dieselbe nicht selbst zu leisten vermochte, so trat der menschgewordene Sohn Gottes für uns ein, wie er durch seine Taufe schon ausdrücklich bezeugte. Und was wollte er nun für uns leisten? Das, was die Menschheit hätte leisten müssen, um eine Versöhnung zu wirken. Unter diesem Gesichtspunkt wird