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 Es muß ja doch einmal der Mensch vor Menschen zu Schanden werden, hier oder am Tage der Auferstehung vor allen Millionen Auferstandener. Schäme dich also nur, indem du bekennest, vor deinem Beichtvater, und bedecke mit der Hand deine Augen, während dein Mund deine Missethaten erzählt; schäme dich, auf daß deine Seele genese und der ewigen Schande entgehe! Schäme dich aber noch mehr, o du, der du dich nicht schämst vor Gott und Engeln offenbar zu sein, und du dich schämst, vor deines gleichen armen Sündern zu Schanden zu werden! Siehe, du bist erfunden als einer, der die Ehre vor Menschen mehr liebt, als die Ehre vor Gott! Ja, schäme dich noch mehr: denn du hast dich nicht geschämt, zu sündigen und schämst dich doch, es zu deinem Heile zu bekennen. Thaten wirktest du ohne Scheu, welche dich dem Verderben näher brachten; Worte aber fliehest du, obwohl sie dich zu deinem Heile näher bringen. – Schäme dich – aber bekenne! Schamloses Bekenntnis ist Hohn der Tugend und der Heiligkeit des Allerheiligsten! Aber ein schamhaftes und errötendes Bekenntnis deiner Sünden ist lieblich vor Gott! Ps. 51, 19. Bekenntnis vertilgt die Scham nicht; sondern richtet sie auf nach unverschämten Sünden! – – Kannst du nun deine Scham nicht überwinden, um vor Gott und deinem Seelensorger zu bekennen; so spürst du entweder deine Not nicht sehr oder du bist hochmütiger, als heilsbegierig!


Empfohlene Zitierweise:
Wilhelm Löhe: Einfältiger Beichtunterricht für Christen evangelisch-lutherischen Bekenntnisses. Kommissionsverlag der Buchhandlung der Diakonissenanstalt, Neuendettelsau 1900, Seite 47. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wilhelm_L%C3%B6he_-_Beichtunterricht_(4._Auflage).pdf/49&oldid=- (Version vom 17.7.2016)