Seite:Wilhelm Löhe - David und Salomo.pdf/69

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

lauter Vollkommenheit. Es kann ja nicht anders gewesen sein als wie es hier geschrieben steht. Der Engel wird ja nicht von David allein, sondern auch von den Ältesten gesehen, die mit Säcken angethan klagen und weinen. Aber nicht nur David mit seinen Leuten, sondern auch der Heide, der Jebusiter Arnan, mit seinen 4 Söhnen sieht ihn und versteckt sich, um sich der Erscheinung zu entziehen. Von allen Seiten sieht man ihn, wie er zwischen Himmel und Erde steht und mit ausgereckter Hand sein Schwert hält, ja mit demselben einhaut. Es ist etwas Außerordentliches; es gibt aber auch Außerordentliches zu schaffen. Zu ganz besondrer Zeit und besonderem Zweck steht der furchtbare Engel in seiner Schönheit und Majestät da unter dem Geheul der Menge. Wenn man nun ihm gegenüber David sieht, wie er Buße thut, wie er fürbittend eintritt für sein Volk und die ganze Last auf sich und seines Vaters Haus laden will, auf dem doch der Segen ruhte – und wenn man sich dann an jenen Tag erinnert, da David nach Empfang der großen Verheißung 2. Sam. 7 in die Hütte ging und aus vollem Herzen dankte und lobte, so gibt das einen Vergleich, der das Herz zu tiefstem Mitleid mit David bewegt. Der König David weint, er ist bereit alle Verheißungen hinzugeben, er will lieber seines Vaters Haus mit allem möglichen Jammer belastet wissen, wenn nur das Volk von der Plage befreit wird. Wie die Zeiten sich wenden! Wer den David gesehen hat an jenem schweren Tag, der hat schwerlich jenen König David in ihm wieder erkannt, der einst mit aller Pracht und Herrlichkeit in Jerusalem einzog und sich auf seinen Thron setzte. Das waren Tage der Heimsuchung, wie der HErr sie oft über die Alten kommen läßt, um sie vollends zu läutern, damit sie eingehen können in die ewige Ruhe. Der Abend von Davids Leben erscheint heute blutig roth, voll Gericht

Empfohlene Zitierweise:
Wilhelm Löhe: David und Salomo. C. Bertelsmann, Gütersloh 1895, Seite 63. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wilhelm_L%C3%B6he_-_David_und_Salomo.pdf/69&oldid=- (Version vom 11.9.2016)