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will an den Gottesdiensten des HErrn, der eile, auf daß er erquickt werde, ehe er hinfährt aus der Zeit. Zwar ist die Liturgie eine Frucht des inwendigen Lebens, aber gleich einer süßen Frucht des guten Baumes kann sie auch zur Speise dienen, die nach mehr verlangend macht. Man scheue sich nicht, die Liturgie zu lehren! Sie wird gelehrt, wie der Catechismus; sie kann Lippenwerk sein, wie dieser, aber sie muß es nicht! Man kann vorsehn, daß sie’s nicht wird, und ungelehrige Seelen zieht man nicht herbei.

 Man hüte sich jedoch, die liturgische Freiheit zur Erzeugung neuer Liturgien zu misbrauchen. Man gebrauche sie viel lieber, am Alten erst Verstand und Geschmack der Sache zu lernen, ehe man sich für fähig hält, Neues und Beßeres zu geben. Wer das Alte nicht erprobt hat, kann nichts Neues geben. Es ist ein Jammer, wenn jeder sich so seine eigenen Gedanken über Lied und Liturgie macht, ohne je der Sache gründlich auf den Boden gesehen zu haben. Man lerne doch erst in der Stille und thue nicht, als ob sichs von selbst verstünde, daß man alles verstehe! – Hat man erst am Alten gelernt, so kann man den Gewinn der neuen Zeit (Sprache und Sprachform) zum Besten der Liturgie anwenden.

 Dabei protestire man aber feierlich gegen das opus operatum und die Ueberschätzung des Aeußern. Die Kirche bleibt, was sie ist, auch ohne Liturgie. Sie bleibt Königin auch im Bettlergewande. Es ist beßer, daß alles dahin falle und nur die reine Lehre ungefährdet bleibe, als daß man im Schmuck und in der Zier herrlicher Gottesdienste wandele, denen Licht und Leben mangelt, weil die Lehre unrein geworden ist. – Jedoch es werde nur der Protest oft und feierlich eingelegt, so wird man nicht nöthig haben, die Kirche im Bettlergewande gehen zu laßen! Vielmehr werden sich dann ihre Gebete, ihre Lieder, ihre h. Ordnung, die hh. Gedanken ihrer Liturgie dem Volke auf unschuldige Weise einprägen und in Predigt und Catechese wie ein lebendiges Buch zu Beweis und Nachweis brauchen laßen. Der wahre Glaube wird nicht allein in der Predigt laut werden, sondern er wird durch Gebet eingebetet, durch Gesang eingesungen werden. Die Liturgie