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ist, daß man in Sachen der Wahrheit die Stimmen nicht zählen, sondern wägen müße.

 Edlere Seelen werden durch den Beweis, der aus der Mehrzahl genommen ist, gewis nicht geblendet. Sie werden nicht eben behaupten, daß die Mehrzahl gar nie auf Seiten der reinen Lehre und Kirche gewesen sei, sie werden den Ruhm der Mehrzahl aus dem Munde eines Cyprian für dessen Zeiten achten. Viel weniger werden sie aus dem Worte Gottes vom schmalen Weg und von der kleinen Heerde den Schluß ziehen, daß die Kirche allezeit klein und unscheinbar sein müße. Geht auch immer aus jenen Stellen hervor, daß im Vergleich zu der Schaar, die verloren geht, die Kirche immer nur eine kleine Heerde sei und bis ans Ende bleibe; so ist ihr doch eben damit auch eine so weite Gränze gesteckt, daß sie eine kleine Heerde in dem Sinn auch dann bliebe, wenn alle Berufenen in allen Particularkirchen wahre Christen wären; sie kann daher innerhalb ihrer Gränzen gewaltig zunehmen, Zeiten des Ruhmes und des Glanzes haben. Sie kann, sie wird es auch zuweilen; aber sie muß nicht; sie kann innerhalb ihrer Gränzen, im Vergleich mit sich selber größer, kleiner, sehr groß, sehr klein sein. Es ist die Wahrheit nicht allezeit mit einer gleichen Zahl von Bekennern umgeben. Die Zahl ist ein adiaphoron und accidens, worauf es nicht ankommt, – und es ist darum nie zu fragen, wie viele bekennen, sondern was sie bekennen. Wort, Bekenntnis, Lehre – das ists gar, alles andere wechselt. Wenn die Kirche nur apostolisch ist, dann ist sie groß genug bei jeder Anzahl; – das Wort katholisch wird nicht durch eine Normalzahl, sondern durch die Lehre von der allgemeinen Gnade Gottes recht erklärt, welche die reine Lehre und Kirche gerne am weitesten verbreitet sähe und verbreiten würde, wenn nicht die Menschen durch ihre Bosheit ihr widerständen. Denn die Gnade tritt nach unabänderlichem Beschluß des HErrn vor keinem Widerstand zurück, als vor dem des boshaften Menschenherzens.

 Ganz anders, viel wahrer zugleich und viel höher klingt es, zu sagen: Zwölf Männer, ungelehrt, niedrigen Standes, haben durch nichts anderes, als durch treues, einmüthiges Bekenntnis eine der menschlichen