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zu Macht und Sprache kommen können, weil Sünd und Bosheit zeitlich lauter tönen und leichter Macht gewinnen. – Wenn die Mehrzahl gälte, wie sollte es denn am Ende mit der Kirche stehen, von welcher Luc. 18, 8. geschrieben steht: „Meinest du auch, des Menschen Sohn werde Glauben finden auf Erden, wenn Er kommen wird“? Und was in aller Welt sollten dann Stellen besagen, wie Offenb. 13, 8.: „Alle, die auf Erden wohnen, beteten das Thier an, deren Namen nicht geschrieben sind in dem lebendigen Buch des Lammes, das erwürget ist von Anfang der Welt“ (cf. 17, 1 ff. 15.)?

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 Es ist mit der Ausbreitung der Kirche gerade, wie mit allem andern, was Glück oder auch Unglück heißt. Welcher Erfahrene, welcher Mensch, der auch nur den 37. oder 73. Psalm gelesen hat, welcher Christ, der, unter dem Kreuze reifend, Hiobs Schicksale und die Worte des Predigers Salomo verstehen gelernt hat, wird vom Glück eines Menschen, eines Volkes, einer Kirche auf deren Würdigkeit, vom Unglück auf Unwürdigkeit den Schluß machen? Damit würde man verdammen alle Kinder Gottes, die von der Welt her gewesen sind. Der Hochgelobte am Kreuze und Kaiser Augustus von Rom, die Märtyrer und ihre Tyrannen – würden da miteinander die Stellen in der Achtung der Welt verwechseln müßen. Es geht eine Gerechtigkeit Gottes durchs Leben bis zum Tode und am Ende wird einem jeden sein Urtheil gesprochen. Aber welcher Mensch sieht und richtet hier ein völlig rechtes Gericht? – – Stimmenmehrzahl gehört zum Glück der Kirche, Minderzahl ist ein Unglück. Beides aber ist in der Hand des HErrn! – Oder sollen wir lieber sagen: Weite Ausbreitung der Kirche ist eine Gnade Gottes für die Welt, – Abnahme ihrer Zahl ein Unglück für die Welt? So bleibt doch auch so der Weg des HErrn dunkel für uns, gerecht zugleich und unerklärlich seine Gerichte. In seiner Hand steht es, seiner Kirche in unsern Tagen wieder Sieg und Schaaren von Evangelisten und Bekennern zu geben! Er kann Seine Einsame und Niedrige, die Er gezüchtigt und gedemütigt hat, erheben, daß sie den Lobgesang der Mutter Gottes anstimmt! „Er sieht auf das Niedrige im Himmel und auf Erden, der