Seite:Wilhelm Löhe - Ein Conferenzvortrag in Betreff der Rosenmonate heiliger Frauen.pdf/32

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Hilfe glauben und lehren bis ans Ende. Wenn daher jemand auf Werke und eigne Bereitung, leibliche oder geistliche, also hält, daß sie zum ewigen Leben als nöthig erfunden werden, so falle ich ihm gewiß nicht bei. Ich stehe ganz auf dem Standpunkt der lutherischen Symbole, wenn ich auch so wenig als ein anderer wahrhaftiger Mensch sagen kann, daß mir jedes historische Urtheil oder jeder begründende Satz in dem dicken Concordienbuche gefiele. Wenn nun aber auf Grund dessen die Ethiker der neuen Zeit ihre Systeme ausbauen, so muß ich ebensowenig ihnen wie den Dogmatikern, um lutherisch zu sein, in allen ihren Consequenzen nachgehen. Es gibt menschliche Schlüße, die eine Weile allgemein angenommen werden, bis ein Tag aufgeht, der die fallacia zeigt. Es ist mancher Schluß in der Folge der Zeit schon hingefallen, und wird noch mancher fallen. Wer wüßte es nicht, daß sich fast in allen kirchlichen Fragen der neuern Zeit ein verschiedenes Urtheil hervorgehoben hat? Wie selten aber ist eine Frage zu Ende gekommen, wie oft die Verhandlung im Sand verlaufen, wie manchmal dennoch die Meinung aufrecht geblieben und sieghaft geworden, die man niederlegen wollte! Ich traue der Wißenschaft nicht, und zwar dann am wenigsten, wenn sie vom höchsten Pferde herunter redet, und am Ende doch nicht aus Leben und Erfahrung herausspricht. Gerade die Ethik aber ist dasjenige Gebiet der Wißenschaft, auf welchem dem christlichen Seelsorger die meisten Fragen entstehen, auf welchem er auch die meisten Fragen für andere zu lösen hat: was bieten ihm