Seite:Wilhelm Löhe - Ein Conferenzvortrag in Betreff der Rosenmonate heiliger Frauen.pdf/38

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Gebotes mit apostolischer Kraft widerstrebt. Wer dies Kapitel, seinen ursprünglichen Sinn, nicht die gewöhnliche einseitige Ausdeutung der Protestanten zu Grunde seines Urtheils legt, der wird sich auf meinen Standpunkt hingetrieben fühlen und am Ende auch begreifen, warum ich es übersehen konnte, der Enthaltung innerhalb der Ehe, wie sie z. B. bei Heinrich und Kunigunde vorkommen, kräftigere Bemerkungen anzuhängen. Meine Unzufriedenheit mit den Abweichungen unserer protestantischen Ansichten und Zustände in Betreff der Ehe hat mir vielleicht für den Augenblick, da ich schrieb, den Sinn und Willen genommen, meiner Erzählung die und jene Wahrheit anzufügen, die mir bei allem Misbrauch, der heutzutage damit getrieben wird, dennoch so theuer ist, wie andere.

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 Nach diesem allen, was die Sache weder erschöpft noch erschöpfen soll, und was ebenso wenig wie anderes, was ich geschrieben habe, der Misdeutung entgehen wird, erlaube ich mir noch ein Wort beizusetzen. Es ist das Wort eines Unzufriedenen, – eines Unzufriedenen, der aber dennoch in Frieden und Liebe zu denen lebt, mit denen er unzufrieden ist, der alle Last und Noth des Lebens mit ihnen trägt. Wir leben alle in Massenkirchen, und das Leben unter den Massen, die nichts weniger als christlich sind, es jetzt noch weniger sind, als früher, hat uns die Grenzen des kirchlichen, des ethischen und eben dadurch auch des historischen Urtheils verrückt. Ich halte es für nachweisbar, daß der schrecklich gemischte Zustand der Kirche uns nicht blos das Leben, sondern auch Sinn und Urtheil verderbt