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Wilhelm Löhe: Epistel-Postille für die Sonn- und Festtage des Kirchenjahres

man leben und gedeihen soll; so schaff’ denn Freude her in Verfolgungszeit, und ja doch, sie wird geschafft, nemlich durch die Hoffnung. „Seid fröhlich in Hoffnung,“ ruft der Apostel aus. Der HErr kommt, der Sieg ist gewis, die Feinde werden erliegen, die Kirche wird siegen; das ist die Hoffnung, die tröstet in Trübsal; die muß vor allem ihre wehende Fahne aufpflanzen, dann erst wird gezeigt, wie man durch die Verfolgung kommt. Denn nach Erwähnung der Hoffnung heißt es weiter: „Seid geduldig in Trübsal, haltet an am Gebet.“ Die Trübsal, das ist die Verfolgung; überall fast, wo im neuen Testamente dies Wort „Trübsal“ vorkommt, ist nicht an Leiden des gewöhnlichen Lebenslaufes, sondern an die Not der Verfolgung zu denken. Und wenn sie nun da ist, die lastende, schwere Verfolgung, dann braucht der Christ nicht Gewalt gegen Gewalt, er erregt keine Religionskriege, denen der HErr feind ist; er steckt sein Schwert in die Scheide, nachdem der Krieg begonnen; er denkt an das Lamm Gottes und seine Art zu kriegen und zu siegen; „geduldig in Trübsal“ ruft er, und geduldet sich nun bis in den Tod, und damit er es kann, hält er an am Gebet, duldet betend und stirbt betend. Das Aug’ voll Licht der Hoffnung, das Leben voll Geduld, das Herz voll brünstiger Andacht und Flehens, daß er das Ziel erlange und den Sieg gewinne, so geht er vorwärts von Schritt zu Schritt durch’s Jammertal.

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 Ohne Zweifel in Verfolgungszeit ein hehres heiliges Leben. Allein bis hierher ist dies Leben ohne Beziehung auf andere Mitleidende geschildert, die Verfolgung aber erstreckt sich ja nicht blos auf einen, sondern auf viele, und es kann daher der Christ auch nicht blos auf sich selbst sehen, sondern er muß Aug und Herz seinen mit leidenden Brüdern zukehren. Auch ist’s dann nicht genug, daß man sie vermahne zur Freude in Hoffnung, zur Geduld in Trübsal, zum Anhalten am Gebet, daß man selbst mit ihnen und für sie betet. Die Verfolgung macht arme Leute, weil der Verfolger dem Verfolgten seine Güter nimmt, ihn am Lebenserwerb hindert, ihm die Nahrung erschwert. Da wird es dann schwer, des Lebens Notdurft zu gewinnen, die doch gewonnen sein soll und muß; bittrer Mangel und kummervolles Darben versucht den armen Dulder. Daher muß dann die Bruderliebe und der Reichtum der neuen geistigen Verwandtschaft helfen, und der Apostel gebietet deshalb: „Nehmet euch der Heiligen Notdurft an,“ oder: nehmt Teil an den Bedürfnissen der Heiligen, indem ihr sie stillet, indem ihr gebet und mitteilet. – Aber die Verfolgung macht nicht blos arm, sie gönnt dem Verfolgten die Heimat nicht; sie weiß es anzustellen, daß er fliehen muß, daß er seine Brüder in der Ferne aufsuchen, bei ihnen sich Rast und Aufenthalt erbitten muß. Da kommen denn Gottes Pilgrime aus der Ferne, die verfolgten Glieder aus andern Gemeinden, und es erwächst dem Christen die süße, heilige Pflicht, den Fremdling aufzunehmen; deshalb ermahnt der Apostel für die böse Zeit insonderheit, und für die verfolgten Brüder vor andern Fremdlingen, wie Luther übersetzt: „Herberget gerne,“ oder wie St. Paulus sagt: „Jaget der Gastfreundschaft nach“, richtet auch ein Verfolgen an, verfolget die Flüchtlinge und Fremdlinge, aber nicht um sie zu quälen, wie ihre andern Verfolger, sondern um sie unter euren Hausfrieden einzuführen und ihnen wol zu thun. Der Apostel will also nicht blos eine einfache Gastfreundschaft ausgeübt haben, sondern die Gastfreundschaft soll mit Mühe und Anstrengung gesucht, und mit aufopfernder Liebe geübt werden. – So erklärt sich an dem festgehaltenen Gedanken der bösen Verfolgungszeit die Aufeinanderfolge der Sätze. Ein Bild der verklärten Liebe und Liebesregung der Gemeinden enthüllt sich, und man sieht den Zusammenhang der Heiligen unter einander, und wie der Glaube eine Verwandtschaft stiftet, die weit über alle Grenzen der einzelnen Gemeinden hinausgreift. Es zeigt sich übrigens die Schönheit und Herrlichkeit der im Elend dieser Welt blühenden Gemeinde, im Verlauf des Textes noch viel größer. Während im zwölften Vers das eigene Verhalten des verfolgten Christen dargethan wird, und im dreizehnten das gegen die mit verfolgten Brüder, gibt uns nun der vierzehnte Vers, von dem wir heute wenig reden wollen, einen neuen Zug des Gemäldes, er zeigt die Gemeinde und ihre Glieder in ihrem Verhältnis gegen die Verfolger selber. Der Christ duldet nicht blos, er kann und thut mehr, er hält nicht blos die Hand rein von Gewaltthat und roher Vergeltung, sondern auch das Herz von Rache und läßt sich den Haß der Verfolger nicht dahin treiben, auch zu haßen, er hört die Stimme des vermahnenden Apostels: „Segnet die euch verfolgen,

Empfohlene Zitierweise:
Wilhelm Löhe: Epistel-Postille für die Sonn- und Festtage des Kirchenjahres. Samuel Gottlieb Liesching, Stuttgart 1858, Seite 105. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wilhelm_L%C3%B6he_-_Epistel-Postille.pdf/112&oldid=- (Version vom 1.8.2018)