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Wilhelm Löhe: Epistel-Postille für die Sonn- und Festtage des Kirchenjahres

geleitet von welchen Männern! noch belehren und sie mahnen, diese alten nächtlichen heidnischen Werke abzulegen, weil sie für den Tag des Evangeliums nicht passen. Es muß Christen in Rom gegeben haben, die solche nächtliche Werke verübten, und es muß bekannt geworden sein von Rom bis nach Corinth, bis zum Apostel Paulus, also über Berg und Thal und Meer hin, sonst würde nicht ein Apostel, sonst würde nicht Paulus, der in Rom noch fremd ist, über Berg und Thal und Meere herüberrufen und schreien und schreiben: „Laßt uns ehrbarlich wandeln, als am Tage, nicht in Freßen und Saufen, nicht in Kammern und Unzucht, nicht in Hader und Neid.“ Das ist ein Elend mit dem menschlichen Geschlechte, auch mit den Christen. Wie hängt uns das heidnische Wesen an, und wie schwer legen wir’s ab. Und doch muß es abgelegt werden, denn es ist ja die Nacht vergangen und der Tag herbeigekommen und das Heil der Ewigkeit näher als am Anfang. Es muß doch ein Ende nehmen mit den Werken der Nacht, denn was will’s werden, wenn wir mitten aus ihnen heraus vor Sein Angesicht gerufen werden, oder Er selbst und Sein Tag uns in nächtlichen Werken überrascht? Ach hilf doch, HErr Jesu, und laß wohl gelingen. Hosianna Dir und Deiner Macht! Laß uns doch ablegen die Werke der Nacht, und laß uns anlegen die Waffen des Lichtes.

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 Waffen des Lichtes: von den Werken der Nacht zu den Waffen des Lichts ist kein Uebergang. Wer mit den Waffen des Lichtes angethan ist, hat nicht bloß das Nachtgewand abgethan und dafür das anständige Tageskleid angezogen, sondern er trägt auch über den Kleidern die glänzende Waffenrüstung, die strahlenden Schußwaffen, und in der Hand den blinkenden blitzenden Trutz des Schwertes. Das ist ein reiner Gegensatz. Da ist nicht bloß alles nächtliche Kleid und Werk abgethan und das Gegentheil angethan, sondern eine Feindschaft gegen die Nacht ist kundbar, ein Mistrauen, daß sie wieder kommen könnte, ein Bemühen, sich gegen ihre Wiederkehr zu schützen, ein ernster Wille, gegen diese Wiederkehr zu kämpfen und zu streiten. Wenn das nicht wäre, wozu redete dann der Apostel von einer vollen Waffenrüstung, die man anziehen soll? Die, welche sich der Nacht des Heidentums und heidnischen Sündenlebens entwinden und ehrbar wandeln wollen als am Tage, müßen, bis der HErr erscheint, als Streiter stehen. Er selbst erscheint zu letzten Kämpfen und Siegen, und wer Seiner Ankunft harret, der weiß, daß er gleich Seinem HErrn zu Kampf und Schlacht bereit sein muß; er steht auf seiner Hut, so lang es währt, und traut den Teufeln nicht, die von ihm ausgetrieben sind, die gern in siebenfacher Verstärkung wiederkommen und in ihr altes Haus am liebsten wieder eindringen, wenn es gesäubert und mit Besemen gekehrt ist, wenn nicht Wacht gehalten und Widerstand geleistet wird. Da haben wir also eine weitere Belehrung des Apostels, wie man die Zeit benützen soll, die man erkannt hat! Man öffnet nicht bloß die Augen, um zu sehen, man legt nicht bloß die nächtlichen Werke ab, nein, man kleidet sich schön und waffnet sich wohl und steht immer auf seiner Hut, kampfbereit und willig, bis der HErr kommt oder doch bis zum Tode die nächtlichen Gewalten zu bekämpfen, die nicht ruhen und die, je mehr der ewige Tag sich naht, desto eifriger die kurze Zeit benützen und über die Welt hinwieder die nächtlichen Decken und Gezelte heidnischen Denkens und Lebens ausbreiten wollen. Ach, es ist dem Menschen so widerwärtig, niemals sicher, niemals laß, niemals ruhig werden zu dürfen bis ans Ende, und bis zur Wiederkunft des HErrn in den Waffen stecken und das Schwert führen zu sollen. Da weiß man das Elend dieses Lebens nicht jämmerlicher zu schildern, als mit den Worten: „Ich kann gar meines Lebens nicht mehr sicher und fröhlich werden.“ Man will des Lebens sicher sein, des irdischen Lebens, nicht des ewigen, wenigstens auf eine Weile. Man begreift nicht, daß man bei dem vollen Gefühl der Unsicherheit dieses Lebens dennoch tiefe Seelenruhe besitzen kann, sowie man des ewigen sicher ist, daß man aber des ewigen Lebens gar nicht sicher sein kann, wenn man so abgöttisch an diesem Erdenleben und dem stillen Genuße des Erdenglückes hängt. Man faßt es nicht, daß gottverlobte, dem Tage der Ewigkeit entgegenstrebende Streiter bei aller Hut und Wacht und Waffenklang nicht bloß die beste sicherste Aussicht, sondern auch hier schon innerlich den süßesten Trost genießen, weil sie von den Kräften der zukünftigen Welt zehren und durch Brod und Wein ihrer ewigen Heimath gelabt und gestärkt werden. Das faßt man nicht und so mag man sich auch nicht dazu

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Wilhelm Löhe: Epistel-Postille für die Sonn- und Festtage des Kirchenjahres. Samuel Gottlieb Liesching, Stuttgart 1858, Seite 006. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wilhelm_L%C3%B6he_-_Epistel-Postille.pdf/13&oldid=- (Version vom 1.8.2018)