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Wilhelm Löhe: Epistel-Postille für die Sonn- und Festtage des Kirchenjahres

Lebensglück, eheliches Glück kann man ein solches Verhältnis doch kaum nennen. Kein rechtes Weib mag dem Manne übergeordnet sein, es ist ihr nur wohl, wenn sie gehorcht und gehorchen kann: dem Manne nachwandeln ist Frauenglück, sowie es Mannesglück ist, dem Weibe voranzugehen. Daher laßen wir getrost als allgemeine Regel stehen und gehen, was der Apostel sagt, ermahnen die Ehefrauen zum Gehorsam gegen ihre Männer und drücken das Siegel Christi unter die apostolische Vermahnung mit den Worten: „wie es sich ziemet in dem HErrn.“

 Nicht weniger wichtig und des Apostels würdig ist nun aber seine Ermahnung an die Männer: „Ihr Männer, liebet eure Weiber und seid nicht bitter gegen sie.“ Da haben wir zum Frauengebot das entsprechende Männergebot. Dem Weibe ziemt Unterthänigkeit, dem Manne aber Liebe und sanfte Güte. Es hat auch das Weib Ursache, sich den Befehl der Liebe und sanften Güte anzueignen; wer weiß das nicht, wer findet es nicht nöthig? Aber der Apostel gebietet den Männern, was er bei den Frauen voraussetzt. Es könnte ja auch nicht einmal sein, daß die Frau dem Manne, wie es ihr geziemt, ohne Liebe und Güte gehorchen könnte; der Sklave kann aus Sklavensinn und Furcht gehorchen, das Weib aber kann nur aus Liebe und Güte gehorchen, denn sie ist eben keine Sklavin, sondern dem Manne in Christo JEsu gleich. Dagegen wird zwar die Liebe und Güte beim Manne nicht in der Form des Gehorsams hervortreten dürfen, sondern rein in der eigenthümlichen Faßung der Liebe und Güte, der Herablaßung und Schonung, der Liebe, die sich weder erbittern läßt, noch selbst erbittert. Ein gehorsames Weib und ein liebender, gütiger Mann stimmen zusammen und geben dem gesammten häuslichen Leben den Grundton tiefinniger Einigkeit und großen Friedens. Dazu kann es wargenommen werden an allen Orten und Enden, wie Mannesliebe und Güte durch Frauengehorsam hervorgerufen wird, umgekehrt aber auch der Gehorsam der Frauen durch Liebe und Güte des Mannes. Ein ungehorsames, widersetzliches und trotziges Weib hört auf, liebenswürdig zu sein, tödtet im Manne die Liebe und schürt den bittern Unmuth; hinwiederum macht Lieblosigkeit und Bitterkeit des Mannes dem Weibe das Gehorchen schwer. So sieht also jedermann, wie die beiden Ermahnungen an die Eheleute trefflich zusammengehen. Merkwürdig ist es dabei, daß den Männern insonderheit gesagt ist, nicht bitter gegen die Frauen zu sein. Der Unerfahrene begreift vielleicht nicht, warum gerade die Bitterkeit verboten wird; der Erfahrene aber weiß sehr wohl, daß nichts in der Welt gewöhnlicher ist, als Bitterkeit der Männer gegen die Frauen, und daß viel tausend Seufzer der Frauen über die Bitterkeit der Männer zu Gott aufsteigen; das muß aber nicht allein in unsern Gegenden und Zeiten, das muß auch früherhin, das muß je und je so gewesen sein, das muß eine besonders häufige Unart des männlichen Herzens gegen das weibliche, das muß eine Art von erblicher Verderbnis des menschlichen Herzens sein, sonst würde es der Apostel nicht für nöthig gefunden haben, es besonders hervorzuheben, aller andern Untugend zu geschweigen und diese zu benennen.

 Ich denke, meine lieben Schwestern, ihr verheiratheten Frauen, meine lieben Brüder, ihr Ehemänner, da die Schrift überhaupt nütze ist zur Lehre, zur Strafe, zur Beßerung, zur Züchtigung, so wird das euch vorgelegte apostolische Wort euch auch in die Seele greifen und ihr werdet bei Ueberlegung desselben viel Sünden zu bekennen, zu bereuen und abzulegen finden; es wäre gewis auch den Eheleuten insgesammt nichts nöthiger, als eine Correktion ihres Herzens und Lebens durch die apostolische Stelle des heutigen Textes. Wie gar viel würde anders werden, wie süß das Leben vieler Familien, wenn weiter gar nichts geschähe, als nur das, daß die Frauen den Ungehorsam, die Männer aber die Lieblosigkeit und Bitterkeit ließen.

 An die Darlegung des richtigen Verhaltens der Eheleute gegen einander schließt der Apostel seine Ermahnung für Kinder und Eltern an und ruft zunächst den Kindern zu: „Ihr Kinder, seid gehorsam den Eltern in allen Dingen, denn das ist wohl gefällig vor dem HErrn“. Bei dieser Ermahnung zum Gehorsam ist nicht dasselbe Wort gewählt, welches im vorausgehenden 18. Verse an die Ehefrauen gerichtet ist. Zu den Ehefrauen spricht der Apostel: Ordnet euch unter, seid unterthan; zu den Kindern aber: „seid gehorsam“. Unterthänigkeit, Unterordnung ist kein Wort, welches so in’s Innere greift und von Grund aus den Menschen unterordnet, wie das Wort „Gehorsam“. Der Unterthänige ordnet sich unter aus

Empfohlene Zitierweise:
Wilhelm Löhe: Epistel-Postille für die Sonn- und Festtage des Kirchenjahres. Samuel Gottlieb Liesching, Stuttgart 1858, Seite 138. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wilhelm_L%C3%B6he_-_Epistel-Postille.pdf/145&oldid=- (Version vom 1.8.2018)