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Wilhelm Löhe: Epistel-Postille für die Sonn- und Festtage des Kirchenjahres

Herrn Jesu Christi, welcher sei gelobet in Ewigkeit, weiß, daß ich nicht lüge. 32. Zu Damaskus der Landpfleger des Königs Areta verwahrete die Stadt der Damaster und wollte mich greifen; 33. Und ich ward in einem Korbe zum Fenster aus durch die Mauer niedergelaßen, und entrann aus seinen Händen. 1. Es ist mir ja das Rühmen nichts nütze, doch will ich kommen auf die Gesichte und Offenbarungen des Herrn. 2. Ich kenne einen Menschen in Christo, vor vierzehn Jahren (ist er in dem Leibe gewesen, so weiß ich es nicht, oder ist er außer dem Leibe gewesen, so weiß ich es auch nicht; Gott weiß es); derselbige ward entzückt bis in den dritten Himmel. 3. Und ich kenne denselbigen Menschen, (ob er in dem Leibe, oder außer dem Leibe gewesen ist, weiß ich nicht, Gott weiß es). 4. Er ward entzückt in das Paradies, und hörete unaussprechliche Worte, welche kein Mensch sagen kann. 5. Davon will ich mich rühmen, von mir selbst aber will ich mich nichts rühmen, ohne meiner Schwachheit. 6. Und so ich mich rühmen wollte, thäte ich darum nicht thörlich, denn ich wollte die Wahrheit sagen. Ich enthalte mich aber deß, auf daß nicht Jemand mich höher achte, denn er an mir siehet oder von mir höret. 7. Und daß ich mich nicht der hohen Offenbarung überhebe, ist mir gegeben ein Pfahl ins Fleisch, nemlich des Satans Engel, der mich mit Fäusten schlage, auf daß ich mich nicht überhebe. 8. Dafür ich dreimal dem Herrn geflehet habe, daß er von mir wiche. 9. Und Er hat zu mir gesagt: Laß dir an Meiner Gnade genügen, denn Meine Kraft ist in den Schwachen mächtig. Darum will ich mich am allerliebsten rühmen meiner Schwachheit, auf daß die Kraft Christi bei mir wohne.


 Das Evangelium von dem vierfachen Ackerwerk, welches man am heutigen Sonntag liest, ist, meine lieben Brüder, meines Erachtens ein Text von gewaltigem Ernste. Der HErr der Erde, des gesammten Saatfeldes Gottes, steht da mit Seinem göttlich klaren Auge, richtet und scheidet die Menschen und vertheilt ihre unabsehbare Zahl in vier verschiedene große, weite Länder oder Beete, je nachdem sich ihr Herz zum heiligen Samen des Evangeliums verhält. Er kennt die Seinen, er kennt die Fremden, und wie müßten wir zusammenschaudern beim Andenken an Seinen untrüglichen Blick, wenn uns Sein Wort, Sein Sakrament, Sein Geist nicht Zeugnis gäbe, daß wir Sein sind. O ein Evangelium, das uns zum tiefsten Ernste und zur schärfsten Prüfung einlädt. – Und dazu eine Epistel, auserlesen und würdig, als apostolisches Wort neben einem solchen Worte aus JEsu eigenem Munde zu stehen. Zwar geht die Rede des heiligen Apostels nur an eine einzige Gemeinde, an die Corinther; aber wer will, der kann schon bei näherer Kenntnisnahme dieser Gemeinde bemerken, wie das vierfache Ackerwerk Gottes nicht etwa nach großen Länderstrecken abgetheilt ist, sondern sich vierfach in jede einzelne Gemeinde hinein verzweigt. Man kann aber auch in diesem Texte gar nicht einmal bei der Corinthischen Gemeinde stehen bleiben; zumal wenn man den Text im Zusammenhange mit den vorausgehenden Kapiteln liest, findet man, daß St. Paulus von einem Canon oder einer Regel redet, nach welcher ihm Gott das weite Territorium seiner apostolischen Arbeit zugemeßen habe 2 Cor. 10, 13. Fast kommt einem dabei die alte Sage in den Sinn, deren man am Tage „Apostel-Theilung“ gedenkt: apostolische große Arbeitsgebiete zeigen sich, und als das größte von allen das des Apostels Paulus. Und wenn nun auch gleich der ganze Text nicht zunächst von dem vierfachen Ackerwerke in dem apostolischen Arbeitskreise Pauli handelt, so sollte es doch gar nicht schwer werden, auch in ihm die Spuren aller vier Bodenarten aufzuzeigen. Doch muß ja eine Epistel nicht eben völlig gleiches Thema mit ihrem Evangelium behandeln, um zu ihm zu paßen; es kann der Zusammenhang beiden auch ohne so enge Gemeinschaft des Inhalts dennoch sehr klar und leuchtend hervortreten. So ist’s auch heute. Da zeigt uns die Epistel den heiligen Paulus, den gewaltigen Säemann Christi, wie er auf seinem großen Arbeitsgebiete dahingeht und seine Saat ausstreut. Wahrlich er geht dahin mit Weinen und säet seinen Samen. Angefochten von dem Undank der Corinther und von den frechen Lügen, mit welchen sich falsche Apostel seines dortigen Arbeitsfeldes zu bemächtigen suchten, innerlich genöthigt und getrieben durch die Warnehmung, daß es diesen falschen Lehrern in Corinth keineswegs an allem Glücke fehlte, thut er seinen Mund mit Widerstreben von sich selbst auf und gibt uns einen Abriß seines apostolischen Lebenslaufes, welchen uns niemand so summarisch und doch dabei so vollständig hätte geben können wie eben er. Da erfahren wir auf einmal Dinge, welche uns weder die Apostelgeschichte noch irgend ein apostolischer Brief von St.

Empfohlene Zitierweise:
Wilhelm Löhe: Epistel-Postille für die Sonn- und Festtage des Kirchenjahres. Samuel Gottlieb Liesching, Stuttgart 1858, Seite 151. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wilhelm_L%C3%B6he_-_Epistel-Postille.pdf/158&oldid=- (Version vom 1.8.2018)