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Wilhelm Löhe: Epistel-Postille für die Sonn- und Festtage des Kirchenjahres

aus, daß der HErr sein bittres Schicksal wenden, es anders fügen könne, also auch bisher seine Plage gefügt und zugelaßen habe. Er widerstreitet nicht allein innerlich dem Teufel, als könnte er damit deßen Qual abwenden und seinen Leib von der erschrecklichen Pein befreien; sondern er wendet sich flehend zu Gott dem HErrn, ohne deßen Willen der Satan nicht von ihm weicht, er den Satan nicht überwinden kann. Was bekommt er aber für eine Antwort? Eine klare, deutliche Antwort: „Laß dir an meiner Gnade genügen, denn meine Kraft ist in den Schwachen mächtig.“ Was heißt das anders als „Nein“? Nein, der Satan soll nicht von dir weichen. Wenn du auch vom Satan gepeinigt wirst, bist du bei mir doch in Gnaden, und meine Gnade muß dir genügen, auch bei teufelischen Leiden. Wirst du auch schwach und hinfällig unter der satanischen Qual, so ist es nicht die Folge, daß du deshalb zu deinem Amte nicht mehr taugen sollst, denn meine Kraft ist in den Schwachen mächtig. Was ist das für eine Antwort, meine lieben Brüder, was für Geheimnisse werden uns da enthüllt? Wer hätte das ohne Offenbarung wißen können, daß man bei Gott in Gnaden, ja in apostolischem Maße der Gnade stehen und dabei vom Teufel geplagt sein könne? Und wem wäre das von selbst gekommen, die Schwachheit, die Hinfälligkeit, die Ermattung als einen Magnet der göttlichen Kraft zu erkennen, und Gott den allmächtigen im Bündnis mit einem welken hinsinkenden Grase der menschlichen Schwachheit zu schauen? Aber wohlan, so ist es, und damit ist alle die falsche Gewißensangst dämonisch Angefochtener wie ein Nebel vernichtet, und Trost genug gibt es für alle, welche die feurigen Pfeile und ermattenden Angriffe des Teufels erleiden. Nicht in Ungnaden müßen sie sein, sie können im Gegentheil in hohen Gnaden stehen; nicht untüchtig werden sie durch die dämonische Plage für ihre Lebensarbeit, sondern Gott kann sie durch Beilegung seines Vermögens nur um so tüchtiger machen. Auch ist es gar nicht nöthig, daß das Gebet um Befreiung überhaupt oder so schnell erhört werde, denn Gott weiß keine beßere Cur für die Krankheit muthwilliger Selbsterhebung, als dämonisches Feuer. Das sind Lehren, meine Freunde, die kann man fürs eigne Herz und in der Seelsorge brauchen. Daß man ja nicht zweifle, werden sie an dem Beispiel eines großen Herzogs aller Angefochtenen, am Beispiel St. Pauli gezeigt. Da geht er hin der Lehrer der Heiden, vom Morgen nach Abend durch sein weites Arbeitsfeld, Thränen im Auge, in der Hand den Samenwurf, umgeben von menschlichen Leiden und Nöthen und Toden, und dabei einen Pfahl im Fleisch, einen Satansengel, der ihn mit Fäusten schlägt. Todmüde ist er von aller solcher Qual und doch sinkt er nicht hin, Gottes Kraft ist in dem Schwachen mächtig, und er vermag alles durch Den, der ihn mächtig macht, Christus. Wenn die Erwähnung der himmlischen Freuden St. Pauli ihn den Corinthern empfehlen und sie in ihrer Wankelmütigkeit beschämen konnte; so wird durch die Erwähnung der dämonischen Leiden Pauli und seiner gewaltigen Beständigkeit unter solchen Leiden, sein hehres Vorbild in einer solchen Vollendung hingestellt, daß man ihm gegenüber eine weitere Berücksichtigung der erbärmlichen corinthischen Eindringlinge kaum für möglich halten sollte.

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 Damit hätte ich euch nun in einer von den Umständen gebotenen Kürze die drei Theile der Rede St. Pauli von sich selbst, und eben damit den großen Arbeiter in dem vierfachen Ackerwerk des Evangeliums gezeigt. So lang ich aber bereits geredet habe, würden dennoch die aufmerksameren, und lebendigeren Hörer unter euch nicht mit mir zufrieden sein, wenn ich nicht noch zwei Punkte am Schluße meiner Rede erledigen würde. Man kann nemlich erstens sagen, daß ich wohl von dämonischen Anfechtungen Pauli geredet, mich aber damit nicht eingelaßen hätte, darzulegen, worin sie bestanden hätten. Darauf hin könnte ich zwar erwiedern, daß der Apostel selbst den Fragern diene, indem er sage: „Mir ist gegeben ein Pfahl ins Fleisch, nemlich des Satans Engel, der mich mit Fäusten schlage“; allein der eine und der andre unter euch kann vielleicht irgend gehört haben oder wißen, daß M. Luther das Wörtchen „nemlich“, welches nicht im Grundtext steht, hinzugesetzt habe, um in der Uebersetzung den Text gleich zu erklären; denn der Text heißt ja einfach: „Mir ist gegeben ein Pfahl ins Fleisch, des Satans Engel, auf daß er mich mit Fäusten schlage, damit ich mich nicht überhebe.“ M. Luther war nemlich der Meinung, daß der Satansengel selber der Pfahl im Fleisch sei, darum setzt er das „nemlich“ hinzu. Andere kehren es um und nehmen an, daß der Pfahl im Fleische irgend ein

Empfohlene Zitierweise:
Wilhelm Löhe: Epistel-Postille für die Sonn- und Festtage des Kirchenjahres. Samuel Gottlieb Liesching, Stuttgart 1858, Seite 158. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wilhelm_L%C3%B6he_-_Epistel-Postille.pdf/165&oldid=- (Version vom 1.8.2018)