Seite:Wilhelm Löhe - Epistel-Postille.pdf/190

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Wilhelm Löhe: Epistel-Postille für die Sonn- und Festtage des Kirchenjahres

gemeint ist. Der Apostel ist ja kein Todter; sowie er Gotte lebt, so lebt er euch. Ihr hört seine Worte, ihr vernehmt seine Stimme. Wer ihn verachtet, von dem wird es JEsus Christus, der Richter der Welt, fordern, und ihr werdet daher Antwort geben müßen zur Zeit, wo die Ausreden aufhören, Leichtsinn und Trägheit verstummt.

 Die erste Forderung des Apostels findet sich im dritten Verse des Textes und heißt: „Das ist der Wille Gottes, eure Heiligung, daß ihr meidet die Hurerei,“ oder, daß ihr euch enthaltet von der Hurerei. Es versteht sich, daß damit alle Gattungen von Hurerei gemeint sind, daß es keine einzige ehrliche Gattung der Hurerei im Reiche Gottes gibt; auch ist es ganz selbstverständlich, daß der Apostel mit dem abscheulichen Namen alles bezeichnet, was darinnen liegt, daß er also auch den Verhältnissen, welchen die elende Welt schönere und anständigere Namen gab, die Larve vom Gesicht reißt und die ganze Schuld aufdeckt, die in ihnen verborgen liegt. Keine listigere und glattere Schlange, als die geschlechtliche Fleischeslust, die den Menschen oft anlacht wie Lebensfrühling, wie harmlose, unschuldige Freude, die ihren Namen verbirgt, den schrecklichen, bis sie die Thaten vollbracht hat, die dann schweigend davon sich schlängelt und den Menschen dem Selbstgericht überläßt und der mächtig höhnenden Stimme des Teufels: Auch du ein Hurer, auch du eine Hure, wie die andern alle. Aus ist’s dann mit dem süßen Schmeicheln der Sünde und es fragt sich nur, ob man im verdammten Koth der Sünde weiter wandeln soll, oder nicht. Da ruft denn der Apostel den Schuldigen zu: Es ist der Wille Gottes, eure Heiligung, daß ihr absteht von der Hurerei. –

 Das zweite was der Apostel fordert, ist mehr als das erste. „Ein jeglicher unter euch, wiße sein Faß zu behalten in Heiligung und Ehren.“ Obgleich der Ausdruck „Faß“ bei uns ungewöhnlich ist, und deshalb unverständlich, so ist doch da leicht zu helfen. Wir sagen eben heutzutage nicht mehr „Faß“, sondern „Gefäß“, und der Apostel meint nichts anders, als das Faß oder Gefäß der Seele, darinnen sie für diese Welt gefaßt ist, also den Leib. Der Ausdruck ist rein und schön. Ein jeder hat für die Seele, die ihm Gott gegeben, ein sichtbares Gefäß, seinen Leib. Und den soll er wißen zu bewahren in Heiligung und Ehren. Es ist also hier wiederum wie sonst in der heiligen Schrift die Lehre ausgesprochen, daß man den Leib heiligen kann und soll, daß man ihn nicht verachten, daß man ihn ehren müße. Der Zusammenhang gibt es, daß der Leib durch Hurerei entheiligt und entehrt wird, daß also ein Hurer oder eine Hure vor den reinen Augen Gottes und Seiner Engel und vor denen der Kirche in einem schmutzigen, entehrten Gefäße wohnt, daß also solche Menschen, nachdem sie offenbar geworden, sich selbst entheiligt und entehrt haben, von andern keine Ehre fordern können, und sichs gefallen laßen müßen, wenn für immer dahin ist Jungfrauschaft und Unschuld des Leibes, für immer und ewig, auch nach erhaltener Vergebung, das Lob eines anständigen leiblichen Wandels dahin ist. Man darf übrigens nicht glauben, daß der Leib, der Seele Gefäß, schon dadurch geheiligt und geehrt ist, daß man sich von der Hurerei enthält. Heiligung und Ehre sind etwas so Großes, daß man sie gewis nicht in bloße Enthaltung vom Bösen setzen kann. Gegenüber der schmutzigen, häßlichen Hurerei gibt es einen Fleiß und eine Sorgfalt, den Leib und seine Glieder vor allem Annahen des Bösen zu hüten, eine Bewahrung des Leibes, wie man ein Kleinod bewahrt, und eine Heiligung der Glieder zum Dienste Gottes und der Reinigkeit, die allein ein gutes Gewißen in Sachen des sechsten Gebotes machen kann. Du sollst nicht blos nicht huren, sondern du sollst einen heiligen Leib haben, den du selbst ehren darfst mit dem Brautkranz der Unschuld, und den auch andre ehren können.

 Indes bemerkt hier ein jeder, der Einsicht vom Text genommen hat, daß man auf die zweite Forderung Pauli nicht eingehen kann ohne die dritte; die erste Forderung verlangt Enthaltung vom leiblich Bösen der Hurerei, die zweite Heiligkeit und Ehre des Leibes. Diese zweite ist nicht möglich ohne die dritte, welche in den Worten des Apostels liegt, die wir im fünften Verse lesen: „Nicht in der Lustseuche, wie die Heiden, die von Gott nichts wißen“. Wie kannst du denn deinen Leib rein halten, wenn deine Seele ein unreiner Stall böser Begierden ist, und wie willst du ein gutes und frohes Gewißen vor Gott haben, wenn du der allen Menschen einwohnenden bösen geschlechtlichen Lust so wenig Herr geworden bist, daß sie inwendig zur Leidenschaft

Empfohlene Zitierweise:
Wilhelm Löhe: Epistel-Postille für die Sonn- und Festtage des Kirchenjahres. Samuel Gottlieb Liesching, Stuttgart 1858, Seite 183. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wilhelm_L%C3%B6he_-_Epistel-Postille.pdf/190&oldid=- (Version vom 1.8.2018)