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Wilhelm Löhe: Epistel-Postille für die Sonn- und Festtage des Kirchenjahres

Wort Unreinigkeit und Heiligung und deßen vorzugsweise zwiefache Deutung auf das sechste und siebente Gebot mit sich von hinnen und schlage an seine Brust. Des HErrn schmerzenreiche Blöße, des HErrn arme Nacktheit an Seinem Kreuze, des HErrn hervortretendes schmähliches Leiden und Entbehren und Seine Arbeit, unsere Wollust und Habsucht zu büßen, stehe unserem heutigen epistolischen Texte zur Seite und helfe ihm durchdringen und Buße wirken für die beiden Sünden, die an verunreinigender Kraft unter dem Heere der Sünden kaum ihres Gleichen haben, für die schnöde Lust und für die Habsucht. – Amen. –




Am Sonntage Oculi.

Ephes. 5, 1–9.
1. So seid nun Gottes Nachfolger, als die lieben Kinder. 2. Und wandelt in der Liebe, gleichwie Christus uns hat geliebet und sich selbst dargegeben für uns, zur Gabe und Opfer, Gott zu einem süßen Geruch. 3. Hurerei aber und alle Unreinigkeit, oder Geiz, laßet nicht von euch gesagt werden, wie den Heiligen zustehet; 4. Auch schandbare Worte und Narrentheidinge, oder Scherz, welche euch nicht ziemen; sondern vielmehr Danksagung. 5. Denn das sollt ihr wißen, daß kein Hurer, oder Unreiner, oder Geiziger (welcher ist ein Götzendiener) Erbe hat an dem Reich Christi und Gottes. 6. Laßet euch niemand verführen mit vergeblichen Worten; denn um dieser willen kommt der Zorn Gottes über die Kinder des Unglaubens. 7. Darum seid nicht ihre Mitgenoßen. 8. Denn ihr waret weiland Finsternis, nun aber seid ihr ein Licht in dem HErrn. 9. Wandelt wie die Kinder des Lichts. Die Frucht des Geistes ist allerlei Gütigkeit und Gerechtigkeit und Wahrheit.

 JE tiefer hinein in die Passionszeit die Kirche geht, desto theilnehmender an dem, was sie die ganze Zeit bewegt, wird auch der Sonntag. Werden die Sonntagstexte auch nicht geradezu Passionstexte, so zeigen sie doch immer mehr den HErrn und Seine Kirche im Kampfe. Der Leidende ist auch ein Kämpfender, der Kampf ist dem Leiden verwandt; so besteht eine Verwandtschaft zwischen den sonntäglichen und wöchentlichen Lectionen der Passionszeit. Schon das Evangelium des vorigen Sonntags zeigt uns den HErrn im Kampfe gegen die Dämonen. Doch erscheint da der Kampf noch so leicht, daß man eher von einem Siege, als von einem Kampfe reden könnte. Ganz anders ist es in dem heutigen Evangelium. Da erscheint nicht bloß ein Kampf und Sieg Christi wider die Dämonen in der Heilung des Stummen, sondern der HErr zeigt in den darauffolgenden Reden, wie Er und Sein Reich gegenüber dem Reich des Teufels in einem beständigen Gegensatz und Kampfe seien. Der Schleier, der vor unserm blöden Auge das Leben und Weben der bösen Geisterwelt bedeckt, wird von dem HErrn gelüftet. Da sieht man also des HErrn Geduld und große Arbeit, da kann man vom Evangelium des Tages aus schließen, welch’ einen Kampf der HErr auch in Seinem Leiden und Sterben gegen den Teufel gehabt haben wird. Stehen auch von diesem Kampfe in der Passionsgeschichte wenige Zeichen zu Tage, so sind ihrer doch genug vorhanden, um den Schluß zu rechtfertigen, den wir aus dem heutigen Evangelium machten. Zu den Evangelien stimmen die Episteln. Wenn in diesen überhaupt der Gang der Kirche erscheint, wie er neben dem Gange des Herrn JEsus einherläuft, so sieht man insonderheit in den Episteln der Passionszeit die Kämpfe der Kirche Gottes neben den Kämpfen JEsu dahinlaufen, welche die Passionsevangelien beschreiben. Zeigt sich in den Evangelien des heutigen und vorigen Sonntags der Kampf JEsu gegen die Dämonen, so sehen wir die heutige Epistel im Zusammenklang mit der vorigen die Kämpfe der Kirche

Empfohlene Zitierweise:
Wilhelm Löhe: Epistel-Postille für die Sonn- und Festtage des Kirchenjahres. Samuel Gottlieb Liesching, Stuttgart 1858, Seite 187. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wilhelm_L%C3%B6he_-_Epistel-Postille.pdf/195&oldid=- (Version vom 1.8.2018)